Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
nun langsam näherten. Doch James sah ihr an, dass etwas nicht stimmte, und je länger sie schweigend zuhörte, desto klarer wurde ihm, dass sie, statt ihre wichtige Botschaft auszusenden, eine Botschaft empfangen hatte, die noch bedeutsamer war.
Stumm behielt sie nach dem Gespräch das Handy am Ohr, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen oder Richard sein Handy zurückzugeben. James nahm es ihr aus der Hand und drückte auf Wahlwiederholung. Charles Walther war am Telefon. Nach dem kurzen Gespräch mit ihm schloss James die Augen. Auch das noch. Dann legte er behutsam den Arm um Sheilas Schultern. »Kommen Sie.«
»Was ist denn passiert?«, fragte Richard.
»Bleiben Sie hier und warten Sie auf Ihren Großvater«, rief James ihm über die Schulter hinweg zu, »wir sehen nach Phyllis. Ihr geht es nicht gut ...«
Kapitel 26
Phyllis war nicht ansprechbar. Sie lag mit geschlossenen Augen im Bett, klein und zart, und das Rouge auf ihren Wangen wirkte noch künstlicher als sonst. Die Herzüberwachung zeigte einigermaßen normalisierte Werte, wie ihnen Charles Walther flüsternd erklärte. »Es geht ihr den Umständen entsprechend gut, ihr Zustand ist stabil. Zum Glück konnte ich sie sofort therapieren. Je eher das passiert, desto besser die Chancen, dass der Herzmuskel keinen dauerhaften Schaden erleidet. Zeit ist Muskel, heißt es.«
»Was sagt denn der behandelnde Arzt?«, fragte James und blickte suchend umher.
»Der steht vor Ihnen«, sagte Charles Walther.
»Ich dachte, Sie sind Heilpraktiker?«
»Arzt und Heilpraktiker«, gab Charles Walther zurück.
»Sie kennen doch meine Mutter, James«, erklärte Sheila leise. Sie bedeutete den Männern, ihr in den Nebenraum zu folgen. »Meine Mutter steht auf medizinischen Schnickschnack«, fuhr sie dann fort. »In dieser Hinsicht macht sie jede Mode mit. Zuerst war es nur die Homöopathie, dann kamen Bioresonanz, Bachblüten, Eigenblutbehandlung, Akupunktur und wie sie alle heißen hinzu. Hauptsache, sie muss ihre Heilserwartung nicht auf die profane Schulmedizin richten, und ...«
»Ich würde doch sehr bitten, die Akupunktur nicht über einen Kamm zu scheren mit Bioresonanz, Bachblüten oder Eigenblutbehandlung«, unterbrach Charles Walther hitzig.
»Entschuldigung, natürlich nicht«, beeilte Sheila sich zu versichern. »Charles war der Arzt meines Mannes bis zu seinem Tod«, fuhr sie fort. »Wir haben ihm viel zu verdanken. Vor einem Jahr konnte ich meine Mutter endlich überzeugen, zu Charles zu wechseln, anstatt ihr Geld zu diesen Heilpraktikern mit dreiwöchiger Schnellkurs-Ausbildung zu tragen. Die unwirksamen Pillen und Mondanbetungen dieser Quacksalber hat sie nur aufgrund ihrer robusten Gesundheit überlebt. Mit Charles hat sie einen Heilpraktiker, aber vor allem einen fantastischen Arzt, auch wenn er ihr zuliebe mehr den Heilpraktiker herauskehrt.«
»Um genau zu sein, weiß Phyllis gar nicht, dass ich Mediziner bin«, sagte Charles mit einem kritischen Unterton. »Über dieses Thema habe ich mit Sheila schon oft diskutiert. Sheila hält es für besser, ihrer Mutter diese Tatsache zu verheimlichen.«
Sheila sah James mit glänzenden Augen an. »Es ist nur zu ihrem Besten, verstehen Sie, James? Ich wollte sichergehen, dass sie gut behandelt wird. Wenn meine Mutter gewusst hätte, dass Charles Mediziner ist, hätte sie sich erst gar nicht auf ihn eingelassen. Aber jetzt im Ernstfall hat es sich bewährt, dass ihr der beste Arzt zur Seite steht, den es gibt.«
Charles räusperte sich. »Nun ja, eine Lysetherapie zur medikamentösen Auflösung des Thrombus, das hätte der Schiffsarzt wohl ebenso gut hinbekommen.«
»Ach, Charles, immer stellen Sie Ihr Licht unter den Scheffel«, sagte Sheila. Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und lächelte ihm dankbar zu.
»Sie werden sicherlich bei Ihrer Mutter bleiben wollen heute Nacht«, stellte James fest.
Sheila nickte, doch dann sah sie James misstrauisch an. »Warum wollen Sie das wissen?«
»Bleiben Sie auch hier, Charles?«, fragte James.
»Was haben Sie vor, James?«, fragte Sheila alarmiert.
»Einen Überraschungsbesuch bei unserem Nordafrikaner.« Das Telefon an der Wand des Krankenzimmers klingelte. James nahm ab. Es war der Kapitän.
»Eine gute und eine schlechte Nachricht«, sagte er. »Wir haben den Mann lebend geborgen. Aber es ist nicht Jeremy Watts.«
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich bin ich sicher.«
»Hat der Mann gesagt, wie es passiert ist?«
»Ja, ein Mann hat ihn mit
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