Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
die James bekannt vorkam. »Wenn ich irgendwie helfen kann, Kapitän ...«
»Nein, Sie stören hier nur«, blaffte der Kapitän den Schiffsgeistlichen an. »Wer hat Sie überhaupt hier an Deck gelassen?«
Pfarrer Sutcliffe war nicht so schnell einzuschüchtern. »Was ist passiert?«, fragte er James.
»Mann über Bord«, erklärte James knapp. »Und es ist mittlerweile die dritte Person, die hier spurlos verschwindet.«
»Sie sollten die Passagiere warnen!«, rief Pfarrer Sutcliffe aus.
»Lassen Sie das bitte meine Sorge sein«, sagte Sullivan so leise, dass er kaum zu hören war.
»Sie tragen die Verantwortung, Kapitän.«
»Ach, wirklich.« Der Kapitän drehte sich langsam zu Pfarrer Sutcliffe um und sah ihm kalt in die Augen. »Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Machen Sie, dass Sie verschwinden!«
»Gerade in dieser Situation glaube ich nicht, dass ...«, begann Sutcliffe, aber weiter kam er nicht. Die ganze Sorge und Unsicherheit des Kapitäns ballte sich blitzschnell zu einem Unwetter der Wut zusammen, das nun über dem Geistlichen ausbrach. »Noch ein verdammtes Wort«, brüllte er, »noch ein verdammtes Wort, und Sie fliegen auch über Bord! Haben Sie das verstanden? Ich werfe Sie eigenhändig den Haien zum Fraß vor!«
Pfarrer Sutcliffe straffte die Schultern, lächelte liebenswürdig und sagte: »Wie Sie wünschen.« Im Gehen drehte er sich noch einmal um: »Ich bete für Sie!«
Sheila, James und Richard standen nebeneinander an der Reling und sahen schweigend zu, wie die Menschen in den kleinen Motorbooten in symmetrischen Linien das Meer absuchten. Über sein Handy hatte James Richard informiert und ihn gebeten, zur Sicherheit in Jeremys Kabine nachzuschauen. Es bestand immerhin die vage Hoffnung, dass Jeremy nichts passiert war und derjenige, mit dem Phyllis telefoniert hatte, wirklich nur das Handy in seinem Besitz gehabt hatte. Doch wie befürchtet hatte Richard die Kabine seines Großvaters leer vorgefunden. Nun verfolgte er mit James und Sheila angespannt die Rettungsaktion. Das Meer war glatt wie ein See, einen Schwimmer oder einen auf demMeer treibenden Körper hätte man sofort entdeckt. Doch weit und breit war nichts zu sehen außer ein paar Möwen, die auf dem Wasser schwimmend Kraft für neue Raubzüge schöpften. Trotzdem gab der Kapitän nach Sonnenuntergang den Befehl, mit Suchscheinwerfern weiterzumachen. »Wir geben erst auf, wenn wir ihn gefunden haben.«
»Wenn es noch hell genug wäre, könnten wir Flugzeuge einsetzen, um das Meer abzusuchen«, sagte Richard. »Aber ich glaube so oder so nicht, dass sie ihn finden. Er ist ein alter Mann. Schon allein den Sturz aus dieser Höhe wird er nicht überlebt haben.«
Plötzlich liefen die Schiffsangestellten und der Kapitän zur anderen Seite des Schiffes, wo aufgeregte Stimmen durcheinanderriefen und ausgestreckte Arme Richtung Horizont zeigten. James, Sheila und Richard folgten der Menge und sahen etwa eine halbe Seemeile entfernt drei der Suchboote dicht beieinanderliegen. Der Kapitän, der sich beim Funkkontakt mit den Rettungskräften etwas von ihnen entfernt hatte, eilte wieder zu ihnen zurück. »Junge!«, rief er und schlug Richard kräftig auf die Schulter, »sie haben Ihren Großvater gefunden! Lebend!« Der Kapitän reichte Richard ein Fernglas. Abwechselnd schauten sie alle hindurch, aber die Boote waren nur als kleine Ansammlung von Punkten zu erkennen.
»Warum dauert das so lange?«, murmelte Richard nervös. »Was machen die denn da noch?«
»Er wird Wasser geschluckt haben«, sagte James. »Vielleicht muss er erst einmal medizinisch versorgt werden.«
Sheila griff nach seiner Hand und drückte sie. »Mein Gott, hoffentlich überlebt er das.«
»Wir sollten Phyllis Bescheid sagen«, sagte James.
»Ja, Sie haben recht«, sagte Sheila aufgeregt. »Aber ich habe mein Handy nicht dabei.«
»Hier, nehmen Sie meins.« Richard reichte ihr sein Handy. Sheila nahm es dankbar an, gab es ihm dann jedoch zurück. »Mit dem Touchscreen komme ich nicht zurecht, können Sie für mich die Nummer eintippen?« Sie diktierte Richard die Nummer von Phyllis’ Handy, wobei Richard drei Anläufe brauchte, bis er die Eingabe geschafft hatte, so sehr zitterten seine Hände.
»Mutter?«, rief Sheila laut ins Telefon, mit dem Tonfall eines Menschen, der eine frohe Botschaft zu verkünden hat. Doch dann sagte sie nichts mehr. Richard bemerkte es nicht, er trommelte auf der Reling herum und starrte auf die Rettungsboote, die sich
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