Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Sie wohl recht«, gab Sheila widerstrebend zu. »Damit bleiben die Schwestern Hideous übrig. Eine von ihnen könnte ihm in einem unbemerkten Augenblick das Gift in die Tasse getan haben.«
»Ja«, sagte James, »möglich wäre es, wenn auch recht riskant. Bedenken Sie, der Raum war voller Menschen. Das hätte leicht jemand bemerken können. Trotzdem, mein erster Impuls war damals auch, den Inhalt seiner Teetasse untersuchen zu lassen. Aber dann fielen alle Tassen zu Boden, als Maddison vom Tischweggezogen wurde, und Mrs White gab Abweisung, die Scherben aufkehren zu lassen.«
»Schade«, meinte Sheila, »aber eigentlich ist es doch auch ohne den Beweis ganz klar: Es kommen nur die Schwestern infrage.«
»Nicht unbedingt. Denken Sie an das Gift, das ich im Klavier gefunden habe. Es befand sich in einem harmlosen Nux-Vomica-Fläschchen. Homöopathische Kügelchen sehen alle gleich aus. Egal, um welche Substanz und um welche Potenz es sich handelt, es sind immer kleine weiße Kügelchen. Der Mörder musste also nur wissen, welches homöopathische Mittel sein Opfer nahm. Dann konnte er das Fläschchen gegen ein identisches austauschen, das statt der Medizin giftige Perlen enthielt. Ich denke, auf diese Weise hat Maddison die tödliche Dosis nichtsahnend selbst eingenommen.«
»Ja«, sagte Sheila aufgeregt. »Es war gar nicht der Tee, es waren die Globuli!«
»Globuli? Sie kennen sich aber wirklich gut aus«, sagte James anerkennend.
Sheila winkte ab. »Ich habe fast alles durchprobieren müssen als Kind. Meine Mutter war überzeugt, dass es hilft.«
»Sie nicht?«
Sheila zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich war fast nie krank.«
James lächelte. »Ihre Mutter hielt das vermutlich für eine Auswirkung der Medizin, die sie Ihnen verabreicht hat.«
»Stimmt«, seufzte Sheila. »Und wer weiß, vielleicht hat sie sogar recht. Immerhin wird sie in diesem Jahr neunzig. Sie ist inzwischen schwerhörig, aber immer noch so drahtig und zäh wie ein Terrier. Und was bestimmte Themen angeht, genauso verbissen.«
Sheila hielt inne, und es entstand eine peinliche Pause. Eswar das erste Mal, dass sie ihre Mutter mehr als nur beiläufig erwähnte. Sie war genau wie James jemand, der im Berufsleben immer großen Wert darauf gelegt hatte, nicht zu viel Privates preiszugeben.
»Aber wir haben etwas vergessen, James«, sagte Sheila schließlich. »Maddison wurde obduziert. Da hätte man doch das Gift entdeckt?«
»Rupert sagte, man habe eine erhöhte Dosis Digitalis festgestellt. Er geht davon aus, dass Maddison, verwirrt wie er war, sein Herzmedikament aus Versehen zweimal eingenommen hat. Diese Überdosis, so der Gerichtsmediziner, könnte die Ursache für den plötzlichen Herztod gewesen sein.«
»Da stimmt etwas nicht«, überlegte Sheila. »Sie sagten doch, es war allgemein bekannt, dass Maddison nicht ganz klar im Kopf war. Dann hätte man ihm doch nie im Leben hochwirksame Medikamente wie Digitalis in die Hand gegeben. Verstehen Sie, was ich meine? Mit Sicherheit werden die Pillen für demente Bewohner wie Maddison zu den Mahlzeiten verteilt, und zwar von den Schwestern.«
»Was unsere Theorie erhärtet, dass sich die tödliche Dosis in seinem homöopathischen Fläschchen befand«, sagte James.
»Und den Arzt verdächtig macht«, ergänzte Sheila. »Hat er nicht auch die Totenscheine für William und Maddison ausgestellt?«
»Ja«, sagte James nachdenklich.
Sheila sah ihn triumphierend an. »Na, bitte. Er hat selbst dafür gesorgt, dass alles in Ordnung zu sein schien und es nicht zur Obduktion durch einen Gerichtsmediziner kam. Vermutlich ist dieser Dr. Goat so ein Helfersyndrom-Typ, dem die Sicherungen durchgeknallt sind. Allmachtsfantasien, übermäßiger Ehrgeiz und jahrelange Selbstausbeutung in Verbindung mit körperlicher und geistiger Erschöpfung haben ihn dahin gebracht,sich als Todesengel Erleichterung zu verschaffen und ab und zu Patienten mit einer Überdosis Digitalis umzubringen. Wer weiß, vielleicht betreibt er auch irgendwelche kranken Forschungen und benutzt die Leute als Versuchskaninchen für die neuesten Mixturen aus seiner Hexenküche!«
James hätte sich beinahe am letzten Rest seines Kaffees verschluckt. Er konnte nicht anders, er musste laut lachen. Sheila schaute ihn beleidigt an. »Was ist daran bitte schön so komisch?«
»Nichts«, sagte James und versuchte, eine ernste Miene zu machen.
Sheila wartete auf eine Erklärung.
»Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er unser
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