Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Thomas Maddison? Kannten sie sich vielleicht von früher?«
»Weiß ich nicht«, sagte James unkonzentriert. Er sah zu einer Gruppe Jugendlicher hinüber, die mit ihren randvollen Tabletts am Fuß der Treppe standen und zu diskutieren schienen, ob sie sich unten einen Tisch suchen oder lieber in die erste Etage gehen sollten. »So kann man sich täuschen!«
»Was meinen Sie?«
James deutete auf die Jugendlichen. »Von wegen, hier treffen wir niemanden aus Eaglehurst. Sehen Sie mal dort, da steht die Tochter von Mrs White mit ein paar Freunden.«
»Das Mädchen, das gestern niedergeschlagen wurde?«
James nickte. »Putzmunter, wie man sieht. Fragt sich, ob ihre Mutter weiß, dass sie hier ist.«
Sheila lächelte. »Eher unwahrscheinlich. Aber wir werden nicht petzen, oder?«
»Keine gute Gesellschaft, die jungen Burschen, mit denen Katie da herumhängt«, bemerkte James.
»Ach was«, meinte Sheila, »in dem Alter legen die Jungs es doch alle darauf an, cool und gefährlich auszusehen. Unserer Grufti-Lolita sieht man die Altenpflegerin auch nicht gerade an der Nasenspitze an.«
»Ist wohl auch eher die Idee von ihrer Mutter gewesen, dass sie in Eaglehurst arbeitet«, sagte James. »Die schwarzen Sachen passen im Übrigen zu ihrer Stimmung.«
»Die jungen Mädchen stehen da heutzutage drauf«, sagte Sheila. »Schminken sich blass, und nachts träumen sie von gutaussehenden Vampiren oder treiben sich auf Friedhöfen herum.«
James lächelte. »Beneidenswert, nicht wahr? So etwas kann man sich nur leisten, wenn man jung ist.« Er löste den Blick von den Jugendlichen, die sich jetzt nach oben verzogen. »Zurück zu William und Maddison. Die beiden verbrachten die Abende häufig gemeinsam mit den Schwestern Hideous. Dashat Miss Hunt mir erzählt. Sie sagte mir, dass sie des Öfteren Alkohol für die vier besorgt hat. Es muss sehr lustig zugegangen sein.«
»Merkwürdig«, sagte Sheila. Sie nippte an ihrem Kaffee und schaute durch das Panoramafenster auf die belebte Straße. »Jedenfalls wäre es eine gute Idee, uns diese Schwestern mal genauer anzusehen. Was meinen Sie, James?«
»Sicher.« James beobachtete ein Taxi, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite anhielt. »Wissen Sie, was ich die ganze Zeit im Hinterkopf habe?«, fragte er plötzlich. »Als ich gestern Abend vom Krankenhaus wieder nach Eaglehurst zurückfuhr, hatte ich zufällig denselben Taxifahrer wie am Tag zuvor. Wir kamen ins Gespräch, und er meinte, ich würde ihn an Mr Maddison erinnern.«
Sheila lächelte. »Er hielt Sie für dement, James?«
»Nein, eben nicht. Das ist genau der Punkt. Er meinte, ich würde ihn an Mr Maddison erinnern, weil wir beide so fit seien. Fit im Kopf. Verstehen Sie? Er wusste gar nicht, dass Maddison verrückt war. Ganz im Gegenteil, er hielt ihn für clever. Und vielleicht hat der Mann ja recht.«
»Sie meinen, die Geisteskrankheit von Maddison war nur eine Tarnung?«
»Möglich. Der Taxifahrer erzählte auch, dass er Mr Maddison oft gefahren hat und dass er ihn nie vor Eaglehurst abholen sollte, damit seine Mitbewohner nicht mitbekamen, dass er ein Taxi bestellt hatte.«
»Wir sollten mit diesem Taxifahrer reden«, schlug Sheila vor. »Vielleicht hilft es, wenn wir erfahren, wohin sich Mr Maddison fahren ließ.«
»Da ist noch etwas«, sagte James. »Gestern Abend, als Mrs White nach oben ging, um ihre Tasche aus meinem Zimmer zu holen, habe ich einen Blick auf ihren Laptop geworfen undetwas Interessantes festgestellt. Es steht gar nicht gut um die Finanzen von Eaglehurst.«
»Aus welchem Grund?«
»Weiß ich nicht, es blieb keine Zeit für weitere Nachforschungen. Ich habe allerdings ein paar Tabellen abfotografiert und Rupert zum Entwickeln mitgegeben. Im Laufe des Tages erfahren wir wahrscheinlich mehr darüber.«
»Hm«, sagte Sheila. »Fassen wir also zusammen: Der Chemieprofessor war vielleicht gar nicht verrückt. Er benutzte häufig ein Taxi, und es scheint, als wollte er das den anderen Bewohnern von Eaglehurst verheimlichen. Vielleicht hängt diese Geheimnistuerei mit seiner Ermordung zusammen. Wenn wir sein Geheimnis lüften, haben wir vielleicht endlich ein Motiv.«
James zog sein Handy aus der Jackettasche. »Na dann, worauf warten wir noch? Bestellen wir uns ein Taxi!«
Kapitel 14
James nickte Sheila zu, als der Taxifahrer aus dem Auto stieg und ihnen die Tür aufhielt. »Das ist er.« James hatte beim Taxiunternehmen angerufen und darum gebeten, den jungen Mann zu schicken, der
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