Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
herzliches Lächeln. »Das mache ich gerne für Sie, Mr Gerald.«
»Niedliche Zähne«, stellte James fest, als Miss Hunt außer Hörweite war. »Erinnert an ein Eichhörnchen, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, was Sie an Ratten mit Puschelschwanz so niedlich finden«, bemerkte Sheila.
»Ich dachte, Sie sind tierlieb?«, fragte James amüsiert.
Sheila öffnete den Mund, um zu antworten, als Dr. Goat energiegeladen auf sie zuschritt.
»Entschuldigen Sie bitte die Verspätung«, sagte er, »ich bin aufgehalten worden.«
»Aber ich bitte Sie, kein Problem«, entgegnete James. »Ich bin Rentner, da kommt es nicht mehr so drauf an, nicht wahr. Darf ich Ihnen Mrs Humphrey vorstellen? Eine gute Bekannte von mir. Sie möchte eventuell ebenfalls nach Eaglehurst ziehen.«
Dr. Goat reichte ihr die Hand. »Schön, Sie kennenzulernen. So, so, Mr Gerald gefällt es also so gut hier, dass er Werbung für Eaglehurst macht. Wo kommen Sie denn her? Wohnen Sie in Hastings?«
»Nein«, erwiderte Sheila. »Bis jetzt wohne ich in London. Hampstead, genauer gesagt.«
Dr. Goat war erstaunt. »Hampstead? Und da wollen Sie umziehen? Ausgerechnet nach Hastings?«
Sheila nickte nur unbeholfen. James war froh darüber, da ihre Erklärung höchstwahrscheinlich alles andere als überzeugend geklungen hätte. »Zu teuer«, kam er ihr zur Hilfe. »London ist ein teures Pflaster, wissen Sie. Besonders, wenn man alt wird und auf Hilfe angewiesen ist. Die wirklich guten seniorengerechten Wohnungen sind schier unbezahlbar in London.«
Dr. Goat nickte. »Verstehe. Aber unter uns: Eaglehurst ist auch nicht gerade billig.«
»Aber doch sein Geld wert?«, fragte Sheila.
»Natürlich, das auf jeden Fall. Ich betreue noch zwei weitere Seniorenheime, und glauben Sie mir, das ist ein himmelweiter Unterschied. Mrs White spricht ja immer von Eaglehurst als ihrer Familie. Das mag übertrieben klingen, aber es ist etwas Wahres dran. Die anderen Einrichtungen lassen dem Einzelnenwenig Raum. Es ist wie der Unterschied zwischen Krankenhaus und Hotel. Vielleicht liegt es daran, dass dieser Komplex früher tatsächlich ein Hotel war. Aber vor allem liegt es an der Leitung. Mrs White ist eine außergewöhnliche Person, und Eaglehurst ist ihr Baby.«
»Sie geraten ja richtig ins Schwärmen«, stellte Sheila fest.
Dr. Goat lächelte. »Als Arzt hat man gewöhnlich mit Menschen zu tun, deren Lebensenergie auf die eine oder andere Art geschwächt ist. Die ein Problem haben. Mrs White aber ist eine unglaublich starke, vitale Persönlichkeit. Sie hat eine Vision, sie hatte die Energie, sie zu verwirklichen, und voilà: Das Ergebnis ist Eaglehurst. So etwas bewundere ich.« Er sah auf die Uhr. »Aber ich bin eigentlich nicht hierhergekommen, um Werbung für Eaglehurst zu machen.«
James lächelte. »Nicht wahr, es geht vielmehr um meine geschwächte Lebensenergie.«
Dr. Goat überging die kleine Spitze. »Ich habe ein kleines Sprechzimmer hier im Erdgeschoss. Wollen wir dorthin gehen?«
James und Sheila nickten.
»Sie bleiben besser so lange hier«, sagte Dr. Goat freundlich, aber bestimmt zu Sheila. »Eine homöopathische Erstanamnese ist eine sehr private Angelegenheit.«
»Aber«, sagte Sheila und sah James hilfesuchend an.
»Dr. Goat hat recht«, sagte James und zwinkerte ihr zu. »Auch wenn ich Sie natürlich gern zum Händchenhalten dabeihätte, Sheila, aber ich schaffe das schon allein. Sie könnten schon hochgehen in mein Apartment, an meinen Computer. Sie wollten doch noch etwas recherchieren.«
»Na schön, wie Sie wollen«, sagte Sheila aufgebracht. Als Dr. Goat bereits in der Tür stand, raunte sie ihm ins Ohr: »Lassen Sie sich bloß keine Spritze oder so was von dem geben!«
»Sie können nicht anders, oder?«, fragte er. Sie sah ihn wütendan, dann drehte sie sich um und marschierte vor ihm zur Tür. Sheilas Gemütszustand konnte man auch von hinten genau erkennen, das hatte er immer schon bemerkenswert gefunden. Wenn sie, so wie jetzt, wütend war, dann versteifte sich ihr ganzer Körper, sie machte kurze Schritte und setzte die Füße so kräftig auf, dass ihre Schritte wie eine einzige Anklage auf dem Marmorboden widerhallten.
Sie war schon an der Treppe, als ihr noch etwas einfiel. Widerwillig kam sie zu ihm zurück. »Das Passwort«, raunte sie ihm zu. Brauche ich eins für Ihren Computer?«
Die Frage brachte ihn für einen Augenblick aus der Fassung. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er ihr einmal sein
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