Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Everett«, stellte Sheila fest und setzte ihr Glas wieder ab. Er grinste. Seit der geizige Bertie aus der Buchhaltung den Kollegen anlässlich der Geburt seines Kindes den billigsten, sauersten Wein spendiert hatte, den es in ganz England zu kaufen gab, war »Bertie Everett« bei ihnen der Code für billiges Gesöff.
»Klingt wie ein Privatscherz«, sagte Edith. »Darf man mitlachen?«
»Ach, eine lange Geschichte«, winkte Sheila ab. »Aber sagen Sie, sollte nicht eigentlich eine Tanzkapelle aufspielen?«
»Nächstes Mal wieder«, sagte Mr Southeron. »Heute kommenSie dafür in den Genuss des Elvis von Eaglehurst. Diese Elvis-Nummer zieht er nämlich nur hier ab, Mrs White liebt sie.«
»Ich auch«, sagte Eleonora enthusiastisch. »Und man kann herrlich tanzen dazu.« Sie sah James mit ihrem blumigen Mädchenblick an, als wäre sie eine junge Debütantin, die es kaum erwarten kann, vom Mann ihrer Träume aufgefordert zu werden. Mr Peabody legte ihr eine Hand auf den Arm. »Und das werden wir auch tun, meine Liebe.«
James betrachtete das verlebte Gesicht des Elvis-Imitators. Er fragte sich, ob dieser traurige Eindruck trotz oder wegen der glitzernden Aufmachung zustande kam, und versuchte sich vorzustellen, wie er wohl ohne die viele Schminke, das Haartoupet und den lächerlichen Anzug aussähe. Er kam zu dem Schluss, dass er es dann mit so etwas wie der männlichen Version von Mrs White zu tun hätte, und lächelte.
»Einen Sixpence für Ihre Gedanken«, sagte Sheila.
»Ich habe mir versucht vorzustellen, wie der Eaglehurst-Elvis im normalen Leben aussieht«, sagte James.
»Das kann ich Ihnen sagen«, meinte Mr Southeron. »Das ist Teddy Oaks. Früher hatte er einen stinknormalen Bürojob bei einer Versicherung. Dann haben die Stellen abgebaut, und er stand nach zwanzig Jahren plötzlich ohne Job da. Andere hätten vielleicht aufgegeben, aber nicht Teddy Oaks. Ich hab nichts zu verlieren, hat er sich gesagt, hat seine alte Gitarre hervorgeholt und angefangen, in der Gegend herumzutingeln. Inzwischen kann er ganz gut davon leben, sagt er. Aber wenn er abgeschminkt ist, erkennen Sie ihn nicht wieder. Der absolute Durchschnittstyp. Man würde ihn auf der Straße sofort zurückgrüßen, einfach weil man das Gefühl hat, dieses Gesicht schon hundertmal gesehen zu haben, und es einem peinlich ist, dass einem der Name dazu nicht einfällt.«
»Kostümiert ist er jedenfalls unverwechselbar«, stellte Sheila fest. »Und diese Elvis-Nummer scheint ihm selbst Spaß zu machen.«
»Das ist ja die Hauptsache«, bemerkte Edith spitz.
Katie kam mit einer neuen Flasche Wein an den Tisch. In dieser Umgebung, in der viele sich in ein festliches Schwarz gekleidet hatten, fiel Katie kaum aus dem Rahmen. Sie trug einen schwarzen, schlabberigen Pullover mit weiten Ärmeln, die bis über die Handgelenke reichten, schwarze Leggings und darüber einen kurzen dunkelgrauen Rock. Die üblichen Schnürstiefel hatte sie durch schwarze Ballerinas ersetzt. James konnte sich die für beide Seiten ermüdenden Diskussionen zwischen Mutter und Tochter vorstellen, bis Katie sich zu diesem Zugeständnis bereiterklärt hatte.
»Die Sonne geht auf!«, rief Peabody und zwinkerte Katie vertraulich zu. »Ich habe doch gewusst, dass Sie uns nicht im Stich lassen. Was für einen edlen Tropfen haben Sie uns denn diesmal mitgebracht?«
»Denselben wie vorher«, sagte Katie ohne zu lächeln und mühte sich weiter mit dem Weinöffner ab.
»Geben Sie mal her«, sagte Mr Southeron. »Ich mach das schon, Kindchen.«
»Nein«, sagte Katie trotzig, »ich hab’s gleich. Sie lief rot an vor Anstrengung, schließlich gab der Korken nach, und Katies linker Arm schnellte mit Korkenzieher und Korken in die Höhe. Der Ärmel ihres Pullis rutschte dabei hoch und gab den Blick auf die schneeweiße Haut ihres Arms frei. James starrte auf die Armbeuge, die mit kleinen roten Punkten übersät war. Katie bemerkte seinen Blick, ließ den Arm schnell sinken, sodass der Ärmel wieder bis über die Handgelenke rutschte, schenkte wortlos ein und ging weiter zum nächsten Tisch.
»Wollen wir das Tanzbein schwingen?« Julius’ Frage war natürlichan Eleonora gerichtet. Galant führte er sie zur Mitte der Tanzfläche, wo sich schon zwei Paare zum langsamen Walzer von
Are you lonesome tonight
wiegten.
James beugte sich zu Sheila und reichte ihr die Hand.
»Tanzen?«, fragte sie ungläubig. »Können Sie das denn schon wieder?«
»Kein Problem, wenn Sie dabei die Rolle
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