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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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der Wand abgestellten Handwagen fest. Als sich dann nicht mehr alles um ihn herum drehte, schlug er die Augen wieder auf und sah, dass auf dem Wagen haufenweise weiße Ärztekittel lagen. Instinktiv nahm er sich einen Kittel und zog ihn über.
    In diesem Moment hörte er hinter sich Stiefelgetrappel. Es war Kozlov. Caine straffte die Schultern, als der riesige Russe auf ihn zugerannt kam. Als er Kozlovs Pranke auf der Schulter spürte, wusste Caine, dass es kein Entkommen mehr gab. Doch statt ihn an die Wand zu schleudern, stieß Kozlov ihn nur beiseite und verschwand dann hinter der nächsten Ecke.
    Caine stand einen Moment verwirrt da und begriff nicht, was gerade geschehen war, bis ihm aufging, dass ihn der Russe des Kittels wegen offenbar für einen Arzt gehalten hatte. Caine ging weiter und durchschritt die Flügeltüren am Ende des Ganges. Als er endlich die Aufzüge gefunden hatte, wollte er eben einen der silberfarbenen Knöpfe drücken, spürte aber plötzlich an seinem Oberschenkel eine Vibration, ausgelöst durch das läutende Telefon.
    «Mist!», stieß Caine hervor und fuhr sich mit der Hand in die Hosentasche, um das Gerät zum Schweigen zu bringen. Doch es war schon zu spät: Die Flügeltüren flogen auf, und Kozlov betrat den Gang, ein Mobiltelefon in der Hand. Er lächelte.
    Caine starrte verzweifelt die Fahrstuhltüren an, wollte, dass sie sich öffneten und ihm eine Fluchtmöglichkeit boten, doch sie blieben geschlossen. Kozlov marschierte langsam den Gang hinab, genoss die Ruhe vor dem Sturm. Da öffneten sich die Fahrstuhltüren doch noch, und zum Vorschein kam ein älterer Latino, der einen Wischmopp in einem großen Eimer auf Rollen hielt.
    «Entschuldigung», sagte Caine, riss dem verblüfften Putzmann den Mopp aus der Hand und stieß ihn mit dem Eimer in den Flur. Perfektes Timing. Kozlov konnte dem heransausenden Eimer ausweichen, doch als er beiseite trat, traf ihn der Stiel des Mopps an der Schulter, der Eimer kippte um, und Seifenlauge ergoss sich über den glatten Fußboden. Kozlov rutschte aus und schlug der Länge nach hin.
    Caine sprang in die übergroße Fahrstuhlkabine und drückte hektisch aufs Geratewohl auf irgendeinen Knopf, in der Hoffnung, die Türen würden sich schließen, ehe es Kozlov gelang, wieder auf die Beine zu kommen. Geradeals die Türen zuglitten, erhaschte Caine einen Blick auf die Gestalt des Hünen. Er streckte eine Hand aus, wollte die Metalltüren aufhalten, aber es war zu spät. Die Türen schnappten zu, und der Fahrstuhl fuhr aufwärts.
    Als Caine die Etagennummern nacheinander aufleuchten sah, wurde ihm die Lächerlichkeit der ganzen Situation bewusst. Was tat er hier? In einem Krankenhaus herumlaufen, um einem russischen Gangster zu entkommen? Wie waren die Dinge denn bloß dermaßen aus dem Ruder gelaufen?
    Dann fiel es ihm wieder ein: die Kapsel. Er hatte die Kapsel geschluckt, war aufgewacht und   … was dann?
    Vielleicht war es das – vielleicht hatte er einen schizophrenen Schub und bildete sich nur ein, die Russenmafia sei hinter ihm her. Aber das konnte nicht sein. Das hier war real. Er hatte Vitaly Nikolaevs Geld verspielt,
bevor
er die Kapsel geschluckt hatte. Gut, die letzten Minuten waren ein wenig verrückt gewesen, aber das bedeutete ja nicht, dass
er
verrückt war, oder?
    Vielleicht war das alles auch nur ein Albtraum, ausgelöst durch die Medikation. Er kniff sich in den Unterarm, um sich zu vergewissern, dass er nicht träumte. Es tat weh, aber bewies das irgendwas? Vielleicht
träumte
er ja nur, dass es wehtat. Es war eine endlose Schleife der Logik oder Unlogik, je nachdem, wie man es sah. Wie sollte ein Wahnsinniger erkennen, dass er Wahnvorstellungen hatte?
    Was, wenn es das jetzt war?
    Was, wenn er gerade eben auf Nimmerwiedersehen dem Wahnsinn verfallen war?
    Jaspers Worte hallten höhnisch in seinem Geist wider:
Man spürt gar nichts davon   … Das ist ja gerade das Unheimliche daran.
    Plötzlich blieb der Fahrstuhl mit leichtem Ruckeln stehen, und ein
Ping
ertönte, das Caine an eine Mikrowelle erinnerte. Die Tür öffnete sich, und Caine stieg, ohne nachzudenken, in der fünfzehnten Etage aus. Nichts deutete darauf hin, welche Krankheiten hier behandelt wurden; es sah alles aus wie auf seiner Etage. Hinter ihm glitt die Tür wieder zu.
    Caine überlegte, mit einem anderen Fahrstuhl wieder hinunterzufahren, aber etwas riet ihm davon ab. Es war beinahe, als sagte eine Stimme in seinem Kopf:
Noch nicht   … Du bist hier noch

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