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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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diesem Abend war Jouvel sicher, hinter sich Schritte zu hören. Er drehte sich abrupt um und sah einen flüchtigen Schatten, der mit einer Hauswand verschmolz.
     Jouvel zwang sich umzukehren und zurückzugehen. Das erinnerte ihn daran, wie oft er dem gefährlichen Wolfshund des Leoparden den Rücken hatte zukehren müssen. Jouvel zitterte, als er sich zwang, weiter die dunkle Straße hinunterzugehen. Er schwitzte so, daß seine Brillengläser beschlugen. Als er den Hauseingang erreichte, an dem er den Schatten sich hatte bewegen sehen, konnte er nicht genau erkennen, ob da jemand stand. Er tat so, als rückte er die Brille zurecht, und wischte sie schnell mit den Fingern sauber. Das verschwommene Bild wurde klar, und aus dem dunklen Hauseingang starrte ihn ein schwer gebauter Mann mit einem feisten Gesicht an. Um ein Haar wäre Jouvel in Ohnmacht gefallen.
     Der Mann mit dem feisten Gesicht trug einen dunklen Mantel und einen Schlapphut. Jetzt zog er einen Flachmann aus der Tasche und trank geräuschvoll. Anschließend rülpste er. Jouvels heftig pochendes Herz beruhigte sich. Ein Betrunkener! Ohne ein Wort zu sagen, machte Jouvel kehrt und ging zu dem Haus, in dem er wohnte. Dem Kriminalbeamten Armand Bonheur, der im Hauseingang stehengeblieben war, brach jetzt ebenfalls der Schweiß aus. Großer Gott, beinahe hätte er alles verdorben! Dabei hatte der Inspektor unmißverständliche Anweisungen gegeben.
     »Was auch geschieht, Jouvel darf nicht merken, daß er beschattet wird. Der Befehl kommt direkt aus Paris …« Jouvel bog in den steinernen Torbogen des Hauses Nr. 49 ein, ging über das Kopfsteinpflaster des Innenhofes und betrat das Hinterhaus. Er ging die Treppe zum zweiten Stock hinauf und schloß gerade seine Wohnungstür auf, als ein rothaariges Mädchen den Kopf durch die Tür nebenan steckte. Jouvel lächelte freundlich.
     »Guten Abend, M’seile …« Das Mädchen schien enttäuscht und machte hinter seinem Rücken eine obszöne Geste. »Dämlicher alter Schlappschwanz.« Für Denise Viron war alles über vierzig reif für den Friedhof; alles unter vierzig jagdbares Wild.
     In seiner Wohnung eilte Jouvel zum Fernsehgerät und schaltete es ein. Nachdem er sich in der Küche eine Tasse Tee gemacht hatte, ging er wieder ins Wohnzimmer, setzte sich in einen alten Lehnsessel und wartete. Wenige Minuten später erschienen Kopf und Schultern Guy Florians auf dem Bildschirm. Jouvel schloß die Augen. »Die Amerikaner wollen Europa in einen einzigen riesigen Supermarkt verwandeln, in dem amerikanische Waren abgesetzt werden, versteht sich …« Und trotzdem konnte Jouvel nicht sicher sein. Ich werde noch wahnsinnig, dachte er.
     »Monsieur Jouvel? Er ist heute nicht da, wird aber morgen wieder in Straßburg sein. Das Geschäft öffnet um neun …«
    Louise Vallon, Jouvels Verkäuferin, legte auf und dachte nicht weiter über den Anruf nach. Sie mußte einen Kunden bedienen. In einer Bar in der Nähe des Phonogeschäfts legte Karel Vanek ebenfalls auf und ging hinaus auf die Straße. Dort, am Quai des Bateliers, saß Walther Brunner in dem Citroën DS 23, den sie bei Hertz am Boulevard de Nancy gemietet hatten. »Er ist heute nicht in der Stadt«, sagte Vanek und setzte sich hinters Lenkrad, »wird morgen aber zurück sein. Wir haben also reichlich Zeit, ein bißchen Atmosphäre zu schnuppern.«
    Nach der Ankunft mit einem Eilzug aus Kehl hatten die drei Männer des sowjetischen Kommandos sich wie zuvor in München getrennt. Lansky war einfach über den mit Kopfsteinpflaster belegten Bahnhofsvorplatz gegangen und hatte sich unter dem Namen Lambert im Hotel Terminus eingemietet. Vanek und Brunner deponierten die drei Skiausrüstungen - die sie nie abholen würden - in der Gepäckaufbewahrung und fuhren mit wenigen Minuten Abstand in Taxis zum Hotel Sofitel. Dort trugen sie sich getrennt als Duval und Bonnard ein. Später trafen sie sich vor dem Hotel, gingen zum Boulevard de Nancy und mieteten den Citroën.
    Vor dem Verlassen seines Zimmers im Sofitel hatte Vanek im Telefonbuch nachgeschlagen, dem Bottin, um Léon Jouvels Adresse zu prüfen. Ja, die Anschrift stimmte mit der auf der Liste überein, Rue de l’Épine 49, aber außerdem war noch die Adresse eines Phono- und Fernsehgeschäfts am Quai des Bateliers angegeben. Mit Hilfe eines Stadtplans, den sie an einem Zeitungskiosk gekauft hatten, waren Vanek und Brunner durch die Altstadt gefahren, um sich beide Adressen einmal anzusehen. Erst danach machte

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