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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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würde, wenn er, Boisseau, nach Straßburg flöge, um diesen Léon Jouvel zu sprechen, und anschließend zu dem zweiten Zeugen nach Colmar weiterzufahren? 
    »Wenn Lasalle recht hat und diese Leute tatsächlich den Leoparden gekannt haben, müßten sie mir etwas sagen können.«
     Grelle überdachte den Vorschlag und entschloß sich dann, ihn zu verwerfen. Jedenfalls im Augenblick. Im Augenblick brauchte er seinen Stellvertreter dringend in Paris. Er sollte ihm helfen, den Schutzwall um den Staatspräsidenten in möglichst kurzer Zeit zu vervollständigen. 
    »Das hat noch Zeit«, meinte Grelle.
     Alan Lennox war mit der Bahn aus der Schweiz nach Straßburg gekommen. Um diese Zeit befand sich das sowjetische Kommando noch jenseits des Rheins in Kehl. Da es in Straßburg nur zwei oder drei erstklassige Hotels gibt, war es nicht verwunderlich, daß er das Hotel Sofitel auswählte, das wie ein auf dem Kopfende stehender Schuhkarton aussieht und mehr den Hotels ähnelt, die man in den USA antrifft. Er füllte das Meldeformular unter dem Namen Jean Bouvier aus und begab sich dann in sein Zimmer im vierten Stock, von dem aus er auf einen gepflasterten Innenhof hinabsehen konnte.
     Seine erste Tat bestand darin, daß er den ›Bottin‹ konsultierte, das französische Telefonbuch. Er stellte fest - wie Vanek nur zwei Stunden später -, daß Léon Jouvel zwei Adressen hatte; eine stimmte mit der Anschrift auf der Liste überein, die andere war die Geschäftsadresse. Anders als Vanek rief Lennox vom Hotelzimmer aus im Geschäft an. Es läutete, aber niemand nahm den Hörer ab. Im Laden hatte Louise Vallon alle Hände voll zu tun, und sie dachte nicht im Traum daran, auch noch das Telefon zu bedienen. Im Sofitel legte Lennox wieder auf. Der nächste Schritt lag nahe. Er mußte versuchen, Jouvel zu Hause zu erwischen.
     Er konsultierte den Stadtplan, den er am Bahnhof gekauft hatte, und stellte fest, daß die Rue de l’Épine vom Hotel aus leicht zu Fuß zu erreichen war. Er zog seinen Mantel an, setzte den Hut auf und ging hinaus. Draußen wirbelten Schneeflocken. Das machte die Stimmung in Straßburg noch weihnachtlicher. Anders als in Paris erinnerte in dieser Stadt vieles an das bevorstehende Weihnachtsfest; die Place Kléber war mit großen Tannenbäumen geschmückt, die abends im Lichterglanz erstrahlten. In weniger als zehn Minuten stand Lennox vor dem Torbogen des Hauses Rue de l’Épine 49.
      Léon ]ouvel. Das Namensschild war neben der Wohnungstür im zweiten Stock angebracht. Lennox klopfte zum drittenmal, aber niemand öffnete. Und dieses Mal ging nebenan die Tür nicht auf; die rothaarige und lebenslustige Denise Viron lag um diese Zeit - kurz vor ein Uhr mittags - noch im Bett und schlief. Lennox verließ das Haus und beschloß, irgendwo zu essen.
     Am Nachmittag besuchte er das Phonogeschäft am Quai des Bateliers. Es war voller Kunden. Das blonde Mädchen hinter der Theke hatte vollauf zu tun, um den Andrang zu bewältigen. Von einem Mann war nichts zu sehen. Als die Verkäuferin gerade beschäftigt war, blickte Lennox in das in einem Nebenraum gelegene Büro. Es war leer. Er beschloß, am frühen Abend wieder in die Rue de l’Épine zu gehen. Wenn man einen Mann unbedingt sprechen will, fängt man ihn am besten zu Hause ab, wenn er seinen Arbeitstag hinter sich gebracht und gegessen hat - wenn er entspannt. Um 20.30 Uhr kehrte Lennox in die Rue de l’Épine zurück.
     Denise verließ gerade die Wohnung. Sie wollte ausgehen. Sie trug einen giftgrünen Mantel, von dem sie meinte, daß er ausgezeichnet zu ihrer aufregenden Persönlichkeit passe. In diesem Augenblick entdeckte sie Lennox, der vor Léon Jouvels Tür stand. Sie beäugte ihn und fragte sich, ob sie an diesem Abend überhaupt ausgehen sollte. Sie stand vor ihrer Wohnungstür. Ihr Flurlicht brannte immer noch und betonte ihre volle Brust. 
    »Er ist heute abend ausgegangen«, sagte sie. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
     Lennox, der gerade die Hand gehoben hatte, um an die Tür zu klopfen, die Lansky vor nur wenigen Minuten mit einem Dietrich geöffnet hatte, lüftete statt dessen den Hut. Er bewegte sich ein paar Schritte auf das Mädchen zu, das auffordernd in die eigene Wohnung zurücktrat. Sie nestelte an ihren langen roten Haaren und beobachtete ihn mit leicht geöffneten Lippen. Mein Gott, ein Flittchen, dachte Lennox. 
    »Sie meinen Monsieur Léon Jouvel?« fragte er auf französisch. »Es ist ziemlich dringend -

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