Nummer Drei: Thriller (German Edition)
andere Dinge einkassiert. Einer kam mit einem Laptop heraus – ich glaube, es war meiner – und warf ihn in eins der beiden kleinen Holzboote. Sie waren mithilfe der Ösen an der Tauchplattform festgemacht, wo Tony vorher die Knotenseile angebunden hatte, um die Außenborder der Piraten abzuwürgen.
Es kam mir so vor, als wären hundert Jahre vergangen, seit Tony die Seile angebracht hatte. Jetzt tanzten an ihrer Stelle die kleinen Boote hinter uns im Kielwasser, das derzeit recht ruhig war, weil unsere Maschine nicht lief. Nur das Segel war gesetzt, und es war unglaublich heiß. Die Hitze bedrängte mich wie ein schweres Kleidungsstück, wie eine ungewollte Umarmung, wie ein erdrückender Pelzmantel im Hochsommer. Es war keine Temperatur, sondern ein körperlich spürbarer Druck.
»Entschuldigung«, sagte Dad. »Wir brauchen Wasser.«
Einer der Piraten starrte ihn verständnislos an.
»Biyo.« Ich deutete auf uns. »Biyo.«
Dad warf mir einen überraschten Blick zu, doch der Pirat nickte. Er ging nach drinnen und kehrte fünf Minuten später mit einem Sechserpack Mineralwasser zurück, das er vor uns abstellte. Seltsamerweise hatte er meinen Haarglätter mitgebracht, den er ebenfalls in das kleine Boot warf. Ich hatte keine Ahnung, was er damit vorhatte. Vielleicht wusste er nicht einmal, wozu das Gerät gut war. Er trug auch meinen beigefarbenen French-Connection-Trenchcoat, also war wohl alles Mögliche denkbar.
Über uns schien unbeeindruckt die Sonne. Kaum zu glauben, dass so einfache, alltägliche Gegebenheiten weiterexistierten und weiterliefen, als sei nichts geschehen. Als wären wir keine Gefangenen auf unserer eigenen Jacht.
»Verdammt, das ist mein Prada-Pullover!«, schimpfte die Stiefmutter, als ein anderer Pirat – oder hatten wir ihn schon einmal gesehen? – an uns vorbeiging.
»Darling, du muss t …«
Ich hörte nicht hin, sondern starrte Totauge an, der gerade nach draußen gekommen war. Er spuckte einen Batzen Khat auf das Deck und ließ den Kopf kreisen, wobei die Knochen vernehmlich knackten. Aber nicht das erregte meine Aufmerksamkeit.
Er trug meine Uhr. Die alte Chanel-Armbanduhr, die meine Mom mir geschenkt hatte.
Ich stand da und wurde vermutlich kreidebleich – jedenfalls sah man mir wohl an, was in mir vorging, denn Dad runzelte die Stirn, kam zu mir und berührte mich am Ellbogen.
»Was ist los?«, fragte er.
Ich deutete auf die Uhr.
»Das is t …«
Meine Stimme brach, ich bekam kein Wort mehr heraus. Dad blickte in die Richtung, in die ich wies, und bemerkte die Uhr. Anscheinend hatte er Mom doch noch nicht völlig vergessen, denn er verkrampfte sich und umklammerte meinen Arm.
»Ja, ich sehe es«, sagte er mit einem Unterton, der mir zu verstehen gab, er werde alles in Ordnung bringen.
»Nein, Dad, schon gut, ic h …«
»Ahmed!«
Ahmed kam, eine Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, auf das hintere Deck. Er sah Dad fragend an.
»Ja?«
Dad ging Ahmed entgegen und sprach eine Weile leise mit ihm. Ich dachte unterdessen: O Gott, jetzt müssen wir alle sterben! Dabei war ich seltsamerweise völlig ruhig. Wahrscheinlich weil ein Teil in mir seit dem Ereignis sowieso insgeheim sterben wollte.
Ich wartete und machte mich auf das Schlimmste gefasst.
Nichts geschah. Ahmed hob nicht einmal die Stimme.
Vielmehr wandte er sich an die anderen Piraten.
»Nicht mehr stehlen«, sagte er. »Wir geben zurück. Jetzt.« Ich glaube, er wiederholte es noch einmal in seiner eigenen Sprache.
Er packte einen Mann am Arm, der an ihm vorbei wollte und den rosafarbenen iPod der Stiefmutter in der Hand hielt. Widerstrebend gab der Pirat das Gerät ab, und Ahmed reichte es beinahe feierlich an Dad weiter.
»Bitte«, sagte er.
»Ah, danke«, antwortete Dad.
»Natürlich. Wir sind Gäste. Wir stehlen nichts mehr.«
Mein Dad hat manchmal eine eigenartige Wirkung auf andere Menschen. Mit seinem Charme zwingt er ihnen seinen Willen auf. Er findet die richtigen Worte und den passenden Tonfall. Ich glaube, deshalb war er auch so erfolgreich. Einen großen Teil seines Lebens verbringt er damit, andere Leute um ihr Geld zu bitten, und baut darauf, dass sie es ihm geben.
Jetzt breitete sich ein schmerzlicher Ausdruck auf seinem Gesicht aus.
»Meine Tochte r …«, begann er. »Ihr wird doch nichts passieren?«
Ahmed schien ehrlich entrüstet.
»Wir nicht anrühren«, sagte er.
»Denn wenn ihr etwas zustöß t …«
»Wir nicht anrühren!« Ahmed wedelte ärgerlich mit einer Hand
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