Nummer Drei: Thriller (German Edition)
ebenfalls der Löwe. ‹ Der Löwe bekam also das ganze Fleisch und war glücklich, und damit ist die Geschichte zu Ende. Ahmed sagt nun, dass wir der Löwe sind. Ihr seid die anderen Tiere. Es tut mir leid.«
»Dann bekommen wir nichts zu essen?«, fragte die Stiefmutter enttäuscht.
Ahmed nickte.
»Gut«, bemerkte er. »Gut. Jetzt verstehst du.«
»Abe r …«, setzte Dad an.
»Nein«, unterbrach Ahmed ihn. Er machte eine Geste, die die ganze Jacht einschloss. »Ihr seid immer der Löwe. Jetzt sind wir es.«
Er konzentrierte sich auf seine Schale, als gäbe es uns nicht mehr.
Dad wandte sich um und wollte hineingehen, und die Stiefmutter machte Anstalten, ihm zu folgen.
Ahmed platzte lachend heraus. Er lachte, bis ihm die Tränen kamen. Dann griff er hinter sich und holte einen weiteren Stapel Schalen hervor.
»Setzt euch, setzt euch!«, rief er, als er nicht mehr lachen musste. »Esst! Wir sind großzügig, vergesst den Scherz. Vielleicht sind wir kein Löwe. Vielleicht sind wir Fuchs.«
25 Nyesh breitete einige Papiere auf dem Konferenztisch aus. Mir fiel auf, dass er eine andere Krawatte angelegt hatte. Diese war rot, die letzte war blau gewesen.
Ahmed hatte sich beklagt, er habe keine Schmerzmittel für seine Kinder. An einem Ort wie diesem musste ein Mann, der zwei Krawatten besaß, reich sein. Auf einmal wurde mir klar, dass Nyesh in der Hierarchie über Ahmed stand. Vorher hatte ich gedacht, Ahmed sei der höchste Anführer, aber das war natürlich dumm, weil Farouz mir bereits etwas über die Organisation erzählt hatte.
Farouz saß mir übrigens gegenüber und wich meinen Blicken geflissentlich aus.
Na gut, dachte ich. Dann ist jetzt alles wieder normal. Er ist ein Pirat, ich bin seine Gefangene. Ich bin Nummer Drei. Ich konnte ihn natürlich verpetzen und Ahmed stecken, dass er mich an der Hand berührt hatte. Dann hätte er tausend Dollar Strafe zahlen müssen.
Nein, dachte ich. Vielleicht kann er seinen Bruder dann nicht mehr aus dem Gefängnis holen. Das wollte ich nicht.
Draußen, jenseits der Schiebetüren, die zum hinteren Deck führten, erkannten wir den Zerstörer der Marine, der in der Nacht aufgetaucht war. Er hatte sich leise wie ein Gespenst genähert und war ungefähr einen Kilometer weiter draußen auf See vor Anker gegangen. Ich rechnete damit, dass einer der Piraten eine Bemerkung darüber fallen ließ, aber sie würdigten das Schiff kaum eines Blicks. Auch Nyesh, der mit seinem kleinen Nahverkehrsboot zu uns übersetzte, beachtete es kaum.
Das Satellitentelefon auf dem Tisch klingelte. Nyesh winkte Tony, er solle abheben.
Tony hielt den Hörer ans Ohr und lauschte.
»Verstehe«, sagte er nach einer Weile. »In Ordnung.« Er wandte sich an Nyesh. »Fünf Millionen sind zu viel«, sagte er. »Sie werden drei zahlen.«
»Das soll wohl ein Wit z …«, setzte die Stiefmutter an.
»Schon gut, Sarah«, beruhigte Dad sie. »Lass Ton y …«
»Mund halten!«, rief Nyesh. »Alle.« Er zog eine Pistole aus der Tasche und schwenkte sie herum, bis der Lauf auf die Stiefmutter zielte. »Also. Fünf Millionen, oder ich erschieße diese Frau.«
Tony sprach aufgeregt ins Telefon und erklärte die Situation. Dann wurde er bleich. O nein, dachte ich, das ist nicht gut. Er legte die Hand auf die Sprechmuschel.
»Die behaupten, Sie werden nicht schießen«, sagte Tony zu Nyesh. Seine Stimme schwankte ein wenig. »Denn dann bekommen Sie überhaupt nichts. Die Geiseln sind Ihre Verhandlungsmasse. Die Jacht ist denen egal.«
Nyesh grinste.
»Ja«, bestätigte er. »Aber wir können die Geiseln noch Jahre hier festhalten. Die Royal Navy kann nicht entern, wir haben zu viele Gewehre.« Er hielt inne. »Viereinhalb Millionen.«
Tony gab das Angebot weiter und lauschte.
»Vier Millionen«, sagte er kurz danach.
»Na gut«, willigte Nyesh ein. »Vier Millionen. Wir arbeiten einen Plan für die Übergabe aus. In zwei Tagen muss es erledigt sein.«
»Das ist zu kurzfristig«, wandte Tony ein. »Wir brauchen etwas Zeit, um das Geld aufzutreiben, un d …«
»Nein, brauchen Sie nicht«, fiel Nyesh ihm ins Wort. »Sie haben zwei Tage. Ihre Firma hat bereits einen Vermittler eingesetzt, und die Marine wartet dort draußen. Begehen Sie nicht den Fehler und halten uns für Anfänger.«
»Zwei Tage«, sagte Tony ins Telefon. Er wartete kurz. »In Ordnung.« Er sah Nyesh an. »In Ordnung.«
Tony blieb bei Nyesh, um die Übergabe vorzubereiten. Wir anderen wurden entlassen.
Meine Erinnerung an
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