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Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Titel: Nummer Drei: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Lake
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die Tage und den Zeitablauf ist verschwommen, aber ich weiß genau, dass Farouz an diesem Tag verschwand. Ich weiß es, weil wir erfahren hatten, dass wir in zwei Tagen freikommen sollten, und Farouz unmittelbar danach verschwand. Wenn ich ihn nun nie wiedersehe?, dachte ich.
    Amy, verdammt, was treibst du da?, fuhr es mir durch den Kopf. Du hast ihn gefragt, ob er schießen würde, und er hat nicht geantwortet. Er hat dir deutlich gezeigt, dass er ein Gangster ist.
    Trotzdem war ich nervös, als er verschwand. Am Nachmittag war er noch da und schlenderte auf dem Deck umher, am Abend wurde mir bewusst, dass ich ihn seit Stunden nicht gesehen hatte. Ich hatte nicht beobachtet, dass das kleine Boot weggefahren war, aber als ich aufs Deck ging, bemerkte ich, dass an der Tauchplattform ein Boot fehlte.
    Dabei fuhr er nie an den Strand. Die anderen schon, die Soldaten, wie er sie nannte. Aber Farouz war Offizier. Er war einer der Anführer, der Dolmetscher, und musste keine Güter zur Jacht bringen oder abtransportieren.
    Als ich wieder nach drinnen ging, lief mir Ahmed über den Weg.
    »Ist Farouz an den Strand gefahren?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung.« Ahmed hob die Schultern.
    Ich suchte seinen Blick, doch er wich mir aus. So leicht, wie die Butter in der Pfanne verrutscht, entzog er sich mir und blickte aufs Meer. Dann hüstelte er und ging weiter.
    Verdammt auch! Offensichtlich log er, aber warum?
    Leider konnte ich nicht viel dagegen unternehmen. Und außerdem, so erinnerte ich mich, war ich wütend auf Farouz. Aber wenn ihm nun etwas zugestoßen war? Wenn das der Grund für Ahmeds seltsames Verhalten war?
    Sobald ich im Kino saß, dachte ich über mögliche Erklärungen nach:
    A) Farouz war über Bord gefallen und ertrunken, und die Haie hatten ihn gefressen.
    B) Er hatte in einer somalischen Lotterie gewonnen und war nach Ägypten ausgewandert, um ein neues Leben zu beginnen.
    C) Er hatte auf der Jacht eines reichen Mannes eine Anstellung als Handlanger bekommen und segelte um die Welt.
    D) Oder jemand hatte ihn einfach getötet.
    Nein, so kam ich nicht weiter. Er war wegen irgendeines Auftrags unterwegs, eine andere Möglichkeit gab es gar nicht. Aber warum hatte er mir nicht verraten, dass er weggehen würde? Andererseits war er mir natürlich keine Erklärung schuldig.
    Aber trotzdem.
    Ich saß da und machte mir Sorgen, während die Sonne unterging und sich die Dunkelheit über das Wasser senkte. Die Stiefmutter fragte mich, was los sei. Ich antwortete ihr nicht.
    Vor dem Bullauge meiner Kabine plätscherten die Wellen am Schiffsrumpf, ewig und unaufhaltsam. Als wolle mir das Meer eine Botschaft schicken. Einen Morsecode oder so. Nur dass ich nicht wusste, was es mir sagen wollte und wem es überhaupt etwas sagen wollte.

26 Als ich am nächsten Tag zum Frühstück aufs Deck ging, war Farouz wieder da. Der Anblick versetzte mir einen Stich mitten ins Herz. In voller Lebensgröße hockte er da und zerteilte eine Wassermelone.
    Als er den Kopf hob, keuchte ich auf.
    Vom Ohr bis zur Augenbraue verlief ein Schnitt, als hätte ihm jemand das Auge zerhacken wollen und ihn nur knapp verfehlt. Die andere Wange war geschwollen, die Lippe aufgeplatzt. Beinahe wäre ich zu ihm gestürzt und hätte laut geschrien, um zu erfahren, was geschehen war. Aber ich beherrschte mich, weil zu viele andere Leute in der Nähe waren.
    Vielmehr überwand ich mich, nahm mir ein Stück Wassermelone und wartete ab, bis niemand mehr lauschen konnte. Ich fühlte mich zerrissen. Einerseits wollte ich, dass die Zeit rasch verging, damit ich mit ihm reden konnte, andererseits wünschte ich, er wäre nicht zurückgekommen. Ich wollte es wissen und wollte es nicht wissen. Hatte er mit den anderen Piraten gekämpf t ? Hatte er jemanden getöte t ?
    Damals war ich zu dumm, um auf meine eigenen Alarmsignale zu achten.
    Endlich waren wir mehr oder weniger allein. Ich ging zu ihm und tat so, als wolle ich ihn um ein weiteres Stück Wassermelone bitten.
    »Was ist passier t ?«, fragte ich. »Wo bist du gewesen?«
    »Nirgends«, antwortete er.
    Dann ging er weg.
    Ich stand einen Moment lang schweigend da. Ich konnte nicht glauben, was ich da gehört hatte. Es war so eine offensichtliche, lächerliche Lüge. Eine Lüge, wie Jugendliche sie vorbringen. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich selbst zu dieser Gruppe gehöre. Manchmal lüge ich irgendjemanden an, aber hauptsächlich mich selbst.
    »Warte!«, rief ich, als ich die Zunge wieder bewegen konnte.

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