Nummer Drei: Thriller (German Edition)
sagt, da dich schon ein Küstenwächter berührt hat, kann es nicht schaden, wenn dich noch einer berührt«, erklärte Farouz mit tonloser Stimme.
»Nein«, widersprach ich.
Mohammed lachte.
»Du darfst nicht sterben.« Er tippte sich an den Kopf. »Bin nicht dumm. Wir wollen Geld.«
»Farouz!«, flehte ich. »Farouz, bitt e …«
»Es tut mir leid«, sagte Farouz. »Es tut mir leid.« Seine Stimme klang hohl, mutlos, leer.
»Ja. Gut. Jetzt still«, sagte Mohammed mit seinem säuerlich stinkenden Atem, mit den vom Khat schwarz angelaufenen Zähnen und der widerlichen dicken Zunge.
Er stand dicht vor mir, der Atem fuhr ihm aus dem Mund und schlug mir ins Gesicht.
Die Jacht legte sich auf eine Weise schräg, wie ich es noch nie erlebt hatte. Stumm betete ich, obwohl ich seit vielen Jahren nicht mehr gebetet hatte und nicht einmal mehr wusste, wie man es anfing.
Mohammed löste seine Gürtelschnalle. Er knöpfte mein Top von All Saints auf.
Er legte die Waffe weg.
Stieß mich hinunter.
Hinunter.
Hinunter.
Auf die Sonnenliege.
Ich habe ja schon beschrieben, wie es ist, wenn neben einem ein Schuss abgefeuert wird. Das Gefühl, das damit einhergeht, kann ich nicht schildern – ein Mann beugt sich über mich, das vernarbte Gesicht nähert sich mir unaufhaltsam, und auf einmal ist sein halbes Gesicht verschwunden, nur noch blutige Fetzen sind zu sehen, und sein ganzer fleischiger Körper sackt auf mir zusammen, sein warmes Blut tropft mir ins Gesicht, und irgendwo dahinter, wie ein Blitz und ein Donnerschlag, ertönt ein Knall, der die ganze Welt zerbricht.
Die Wucht und die Gewalt und dann die Stille.
Wie eine drückende Leere.
Dann erst hörte ich den Knall, der das Innenohr erschütterte, während meine Welt blutrot war und hundert Kilo wog.
Ich schrie.
Das Zeug klebte mir in den Haaren, es roch verbrannt. Schießpulver. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ich ihn in eine große Glocke gesteckt, die gerade jemand angeschlagen hatte. Ich zerrte an Mohammeds leblosem Körper und wollte ihn wegschieben. Ich schrie die ganze Zeit aus Leibeskräften, auch wenn ich es selbst kaum hörte. Mein Bein war eingeklemmt – o Gott, mein Bein war eingeklemmt! –, aber dann riss ich es hervor, kroch weg und stürzte von der Sonnenliege hinunter auf das Deck. Im Mund hatte ich den metallischen Geschmack von Blut und dachte zuerst, ich hätte mir auf die Zunge gebissen. Dann dämmerte mir, dass es Mohammeds Blut war, das mir in den Mund geraten war.
Farouz hielt noch immer die Pistole in der Hand, aus deren Lauf Rauch aufstieg. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Rauch tatsächlich sichtbar ist. In dem Licht, das aus einem Bullauge fiel, stand er wie auf einer Insel und lächelte – jedenfalls glaubte ich ihn lächeln zu sehen.
Er hat ihn erschossen, dachte ich benommen.
Das Lächeln war verschwunden, als ich ihn wieder anblickte. Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet, dachte ich. Ja, ich habe es mir nur eingebildet. Er hat mich gerettet und musste Mohammed töten. Ich war sicher, dass es ihm keinen Spaß gemacht hatte.
Oder?
Als die Jacht sich nicht länger um mich drehte, als ich mich auf die Knie niederlassen und den Kopf heben konnte, hatte Farouz seine Kleidung bereits in Ordnung gebracht. Ich verstand nicht, wie er dies so schnell geschafft hatte. Seine Miene wirkte beinahe überrascht. Ich wollte mein Top zuknöpfen, doch er schüttelte den Kopf.
»Nein, so sieht es besser aus. Wisch dir die Tränen nicht ab!« Es klang, als spräche er unter Wasser.
Mit zitternden Fingern zog er eine Packung Zigaretten und das Feuerzeug aus der Hosentasche und zündete sich eine Zigarette an. Ich beobachtete ihn, als hätte ich so etwas noch nie gesehen. Das Tippen an die Packung, die Zigarette, die in die andere Hand fiel, das leise Knacken, als die Flamme des Feuerzeugs erblühte. Der erste Zug, tief in die Lungen, dann der Rauch, der durch die Nasenlöcher hervordrang.
»Jesus.« Ich betrachtete den toten Mann.
»Nein«, antwortete Farouz mit unbewegtem Gesicht, wenn man von den Rauchkringeln absah, die ihm aus der Nase drangen. »Das ist Mohammed.«
Beinahe hätte ich gelacht. Gleichzeitig fragte ich mich, ob ich jemals wieder aufrecht stehen konnte.
»Du warst allein hier draußen. Er wollte dich vergewaltigen«, sagte Farouz, als erkläre er dies einem Kind. »Ein Glück, dass ich herausgekommen bin, um eine Zigarette zu rauchen.«
»E r … genau«, bestätigte ich. »Ja.« Ich begriff, dass Farouz
Weitere Kostenlose Bücher