Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
konnte gar nicht vorbei sein. Ich hatte es gespürt … Er entschwand meinem Blick, wieder hielt ich den Atem an …
Dann hörte ich, wie etwas in den Briefkasten fiel. Ich wusste, was Alex gerade eingeworfen hatte: seine Schlüssel zu dieser Wohnung. Er stieg in den Wagen und schlug laut die Tür zu. Dann fuhr er davon. Er hatte nicht ein einziges Mal aufgeblickt.
Ich legte mich wieder hin. Sinnlos, vor mir selbst zu leugnen, was ich gehofft hatte, als er vorhin noch einmal kehrtgemacht hatte: dass er die albernen Stahlstufen zum Schlafzimmer hochtraben und der lustige, entschiedene Alex sein würde, den ich vor zwei Jahren kennengelernt hatte. Bevor er zu betrunken war, um es ins Schlafzimmer herauf zu schaffen.
Tief in mir aber wusste ich: Wenn das passiert wäre, hätte es diesen ganzen Wahnsinn nur verlängert.
Kapitel 14
Das Brummen meines Handys weckte mich, doch als ich es endlich gefunden hatte, hatte der Anrufer bereits aufgelegt. Mein Kopf pochte mindestens ebenso schmerzhaft, wie es letzte Nacht mein Herz getan hatte. Ein paar Haarsträhnen klebten mir im Gesicht, und ich hatte einen Geschmack im Mund, als hätte ich einen Aschenbecher ausgeleckt. Digby lief in immer engeren Kreisen um das Bett herum und winselte herzzerreißend, weil er nach draußen musste. Müde warf ich einen Blick auf das Display des Handys. Ich hatte schon wieder verschlafen.
Nachdem Alex gegangen war, konnte ich nicht mehr einschlafen. Also machte ich noch eine Flasche Wein auf, um mich zu beruhigen. Ich hatte vergessen, den Wecker zu stellen. Außerdem hatte ich die Heizung angelassen, weil ich die Kälte vertreiben wollte, die sich durch meine Knochen bis ins Herz gefressen hatte. Jetzt hatte ich das Gefühl, in einer Sauna genächtigt zu haben. Ich war verschwitzt, und der Kopf tat mir weh.
Ein weiterer Montagmorgen gähnte mich an, eine weitere Woche, ein weiterer Monat, der mir nichts weiter bringen würde als ein einsames Weihnachtsfest. Ich stolperte in die Dusche und stellte das Wasser so kalt, wie ich es nur irgend aushalten konnte. Leider half auch das nicht viel, ich war danach nur noch schlechter gelaunt als zuvor. Auch das raue Handtuch konnte gegen die Gänsehaut nichts ausrichten, und so tappte ich zitternd zurück ins Schlafzimmer. Ich rieb gerade mein Haar trocken, als ich unten ein Husten zu hören meinte.
»Digby?«, krächzte ich. Doch dann hörte ich, wie er die Tauben auf der Dachterrasse anbellte. Digby konnte es also nicht sein. Ich zog mir eine Jeans über und schlich ans obere Ende der Treppe. Ein Schatten fiel über die eichenen Dielenbretter im unteren Stockwerk.
»Alex?«, flüsterte ich. Aber er war es nicht. Denn unten stand ein wesentlich kleinerer, dickerer Mann, dessen Haar sich am Scheitel zu lichten begann. Er hielt einen Strauß Lilien in der Hand. Kalter Schweiß perlte über meine Oberlippe. Verzweifelt suchte ich nach einer Waffe. Das Nächste, worauf mein Blick fiel, war ein Art-déco-Aschenbecher mit Fuß, der einmal Gar gehört hatte. Er stand auf dem Treppenabsatz. Ich nahm ihn auf und schlich ein paar Stufen nach unten. Die Lilien verströmten einen so betäubenden Duft, dass ich sie von hier aus riechen konnte. Unvermittelt löste sich der Deckel des Aschenbechers und fiel laut klappernd die Treppen hinunter. Erschrocken blickte der Mann auf.
»Uff, haben Sie mich erschreckt. Ich dachte, es ist niemand zu Hause.« Affektiert presste er die Hand auf die Brust. »Entschuldigen Sie, Sie sind sicher Mrs Warren?« Als er sich wieder gefasst hatte, streckte er mir seine dickliche Hand hin. Die Lilien klemmte er derweilen unter den anderen Arm. Er trug tatsächlich einen glänzenden Anzug.
»Und Sie sind bitte?« Halb angekleidet kam ich mir ein wenig seltsam vor, als ich da mit dem Aschenbecher in der Hand auf der Treppe stand.
»Stefano Costana von Costana & Mortimer. Ich habe eine Karte.«
Ich runzelte die Stirn. »Costana & Mortimer?«
»Das Immobilienbüro in der Borough High Street. Mr Bailey bat mich, die Wohnung zu begutachten. Er hat mir die Schlüssel gegeben.« Lächelnd schlug er auf seine Anzugtasche. »Er meinte, Sie wären ohnehin im Büro und wüssten Bescheid.«
»Ach.« Ich versuchte, mich an das gestrige Gespräch zu erinnern. »Aber das hat er mir nicht gesagt.«
»Ach, du liebe Zeit. Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken. Wissen Sie, ich habe schon so einiges gesehen …« Als er den Ausdruck auf meinem Gesicht sah, wechselte er das Thema.
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