Nur 15 Sekunden
bin, könnten Sie mit Ihrem Sohn ja mal zum Abendessen kommen.»
«Joe … jetzt hören Sie mir mal zu. Ich bin sehr viel älter als Sie und lebe ein völlig anderes Leben. Ich bin Mutter. Und Witwe. Ich habe sogar einen Freund.» Das mit dem Freund rutschte mir einfach so heraus, dabei war es eine schamlose Übertreibung, Rich war keineswegs mein Freund. Aber aus Erfahrung wusste ich, dass man die unerwünschten Avancen eines Mannes am besten abwehrte, indem man behauptete, schon vergeben zu sein. «Außerdem beansprucht meine Arbeit mich so sehr, dass mir keine Zeit für jemand anderen bleibt.»
Jetzt dauerte es einen Moment, bis er antwortete. «Schon gut. Das verstehe ich. Dann sind wir eben Freunde.»
Dieses Gespräch raubte mir den letzten Nerv. Ich wollte nicht mit ihm befreundet sein. Und ich hatte doch gerade versucht, ihm klarzumachen, dass wir nicht befreundet sein konnten. Hörte er mir denn gar nicht zu?
«Nein, sind wir nicht. Tut mir leid.» Ich legte auf, ehe er noch etwas erwidern konnte.
Courtney hörte auf zu tippen, um mir einen raschen Blick zuzuwerfen. «Wieder mal ein Herz gebrochen, was?»
Ich schmiss eine Büroklammer nach ihr, sie kicherte und wandte sich ihrem Artikel zu. Ich schaute auf die Uhr, um zu sehen, ob es bereits halb zehn war. Ich hatte beschlossen, etwas Zeit verstreichen zu lassen, bevor ich in der Baubehörde anrief, um nicht übereifrig zu wirken und Verdacht zu wecken. Nachdem ich weitere zehn Minuten abgewartet hatte, wählte ich die Nummer von Ian Wright.
Er ging selbst ans Telefon, woraus ich schloss, dass er kein leitender Mitarbeiter war. Das wiederum bedeutete, dass seine Vorgesetzten entweder nichts von der ganzen Sache wussten oder sich in Sicherheit glaubten. Ich sagte meinen Namen, und Ian Wright fing sofort an, mir all das zu erzählen, was Abe Starkman bereits angekündigt hatte. Fast wortwörtlich.
Als Nächstes rief ich bei Russet Cleanup an und fragte gemäß den Anweisungen nach Lenny, der mir alles bestätigte, was ich von Ian Wright wusste.
Damit hatte ich den Part erfüllt, den das städtische Bauamt für mich vorgesehen hatte. Hielt die Behörde uns Reporter von der
Times
wirklich für so naiv, dass sie glaubte, uns mit Informationen füttern zu können, die wir dann nicht mehr in Frage stellten? Aber hätte ich diese Informationen wirklich auch dann in Frage gestellt, wenn Abe Starkman nicht gewesen wäre? Ich war mir zugegebenermaßen nicht sicher.
Elliot hatte seinen morgendlichen Kaffee schon von einem anderen Mitarbeiter bekommen, und so musste ich zwanzig Minuten warten, bis mir eine Audienz gewährt wurde. Diesmal bat er mich, die Tür zu schließen, ein deutliches Signal, dass er über die Sache nachgedacht hatte und sie ernst nahm. Vielleicht sorgte er sich sogar, wo das alles hinführen würde.
«Sie haben also angerufen?»
«Haben sie. Und ich habe auch schon mit Russet Cleanup telefoniert. Alles war genau so, wie mein Informant es angekündigt hatte. Als hätten sie aus einem Textbuch abgelesen.»
Elliot lehnte sich zurück und drehte einen frischgespitzten Bleistift zwischen den Fingern. Dann legte er den Stift wieder auf den Tisch, griff zum Telefon und wählte eine interne Durchwahl. Durch die Glaswand seines Büros sah ich, wie Courtney den Hörer abnahm und auf Elliots Worte reagierte: «Ich möchte dich mit Darcy zusammen auf eine Story ansetzen. Falls es tatsächlich eine Story ist. Details erfährst du von ihr. Die Sache ist streng vertraulich, also kein Wort zu irgendwem.» Noch während er sprach, sah ich, wie Courtney ihre lächelnden Lippen mit einem imaginären Reißverschluss verschloss.
Und damit war alles geklärt. Ich hatte die Story. Zusammen mit Courtney. Es bestand keinerlei Anlass, mit Elliots Entscheidung zu hadern. Courtney hatte viel Erfahrung als Kriminalreporterin, niemand war besser geeignet, mich in diesen Bereich einzuführen. Und ihr Lächeln zeigte mir, dass es ihr so ging wie mir: Sie freute sich auf unsere erste Zusammenarbeit. Offenbar hatte sie auch ihren drängenden Abgabetermin mit keinem Wort erwähnt. Ein weiterer Beweis für das, was ich im Grunde schon wusste: Courtney war mit Leib und Seele Reporterin.
Um halb zwölf, eine halbe Stunde vor dem Termin, gab sie ihren Artikel ab, dann verließen wir gemeinsam das Bürogebäude, um mit dem Taxi zur Beweismittelstelle Queens in Long Island City zu fahren. In der Zwischenzeit hatte es aufgehört zu regnen, der nasse Morgen war einem
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