Nur 15 Sekunden
Schwester.» Courtney strich sich das lange Haar über die rechte Schulter und sah mich an. «Wie wär’s mit ein paar Knochen zum Dessert?»
Ich musste lachen. «Du wirst Anand wohl nach der Lieferbestätigung fragen müssen. Bei Russet Cleanup hatten sie keine.»
«Wird gemacht.»
Wir verließen den Waschraum und machten uns an die Arbeit. Von meinem Schreibtisch aus konnte ich beobachten, wie die «Prinzessin» mit Anand telefonierte und mit leichtem Geplauder ihrem eigentlichen Anliegen immer näher kam. Ich lauschte ein bisschen. Es faszinierte mich, wie Courtney ihren Flirtton ganz gezielt einsetzte. Ich hatte sie schon in anderen Gesprächen erlebt, die sie beinhart führte. So ganz wusste ich immer noch nicht, was ich von dieser jungen Frau halten sollte, die ich gerade erst richtig kennenlernte. Aus der Ferne hätte ich sie vermutlich einschüchternd und wegen ihrer offensiv eingesetzten Erotik auch ein bisschen unangenehm gefunden, doch aus der Nähe offenbarte sie eine Vielschichtigkeit mit zahllosen Schattierungen, die ihre bravourös eingesetzte
Sex-and-the-City-
Nummer Lügen strafte.
Als sie aufgelegt hatte, grinste sie mich über den Gang zwischen unseren Schreibtischen hinweg an. Dann rollte sie mit ihrem Schreibtischstuhl heran, bis sie mir direkt gegenübersaß, so nah, dass unsere Knie sich berührten. Diese Vertraulichkeit überraschte mich ebenso sehr, wie sie mich freute. Courtney beugte sich vor und sagte mit leiser Stimme:
«Genau dafür liebe ich Anand. Die Typen, die die Beweisstücke vor zwei Tagen vorbeigebracht haben, hatten gar keinen Lieferschein. Anand wusste aber, dass sie nicht zu den offiziellen städtischen Subunternehmern gehören, und hat sich geweigert, die Lieferung ohne entsprechenden Frachtbrief anzunehmen. Daraufhin haben sie einfach ganz spontan einen ausgestellt. Und weißt du was?»
In dem Moment hallte das Rattern des Postwagens durch die Redaktion. Courtney und ich wandten gleichzeitig den Kopf, so synchron, dass der Kollege zwei Tische weiter aufmerksam wurde. Sein Blick ruhte einen Moment auf dieser zweiköpfigen, an den Knien verbundenen Courtney-Darcy-Einheit, dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.
Joe schob seinen Wagen durch das Großraumbüro und verteilte Post auf gut der Hälfte der Schreibtische (für mich schien nichts dabei zu sein), dann brachte er den Wagen wieder hinaus. Während der zwei Minuten, die er sich bei uns aufhielt, folgte ich meinem Plan und beachtete ihn nicht. Ich tat, als würde ich Courtney irgendein Dokument auf meinem Notebook zeigen, und klickte mich mit demonstrativen Gesten durch eine zufällig geöffnete Website. Joe beachtete mich ebenfalls nicht. Das war schon mal ein Fortschritt. Als die Tür der Redaktion hinter ihm ins Schloss fiel, atmete ich auf.
«Gut so», flüsterte Courtney. «Hast du gesehen? Er hat schon kapiert.»
«Da bin ich mir nicht so sicher.»
«Falls nicht, wird er es bald kapieren. Mach einfach genau so weiter.»
«Was wolltest du mir gerade von dem Lieferschein erzählen?»
«Ach ja, richtig. Also pass auf. Besonders helle waren diese Lieferanten nämlich offenbar nicht. Warte, ich kann’s dir gleich zeigen.»
Das Faxgerät am anderen Ende des Raumes war damit beschäftigt, eine gerade ankommende Nachricht auszuwerfen. Courtney ging hinüber und hielt das Blatt am Rand fest, bis das Gerät es ganz ausgespuckt hatte. Dann kam sie zu mir zurück und legte es auf den Schreibtisch, sodass wir es beide lesen konnten.
Ich sah sofort, weshalb sie glaubte, dass die Lieferanten nicht gerade mit Intelligenz gesegnet waren. Jemand hatte sowohl die Ursprungs- als auch die Zieladresse auf das Formular gekritzelt, sie mit dem entsprechenden Datum versehen, unterschrieben und auch den Namen der Firma, Metro Trucking, hinzugefügt. In der rechten oberen Ecke hatte Anand fein säuberlich die Buchungsnummer notiert.
«‹Abholort: Leeres Grundstück an der Pacific Street, zwischen Fourth und Fifth Avenue›», las ich laut vor. «An der Straße befinden sich augenblicklich neun leere Grundstücke. Ist es für den Artikel wichtig, um welches es sich genau handelt?»
«Keine Ahnung. Aber für den Anfang ist das doch schon mal ganz gut, findest du nicht? Anand hat den Wisch datiert und unterschrieben, und er ist immerhin Polizist.»
«Würde er das auch offiziell bestätigen?»
«Wenn ich ihn darum bitte …» Courtney grinste. «Was ist mit den Russet-Typen?»
«Die werden gar nichts bestätigen.
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