Nur dein Leben
uns auf Ihre Kinder konzentrieren. Ihretwegen sind Sie zu mir gekommen.«
»Es ist aber wichtig«, erwiderte Naomi grimmig.
»Schatz«, sagte John warnend.
»Spar dir dein ›Schatz‹!«, fauchte sie. Dann wandte sie sich wieder an die Psychologin und fuhr fort: »Wir haben Dr. Dettore aufgesucht, weil er für uns die einzige Hoffnung war und weil es zu diesem Zeitpunkt keinen anderen Arzt auf der Welt gab, der uns hätte helfen können. Verstehen Sie?«
»Welche Hoffnung bot er Ihnen?«
»Die Hoffnung auf ein gesundes Kind! Eines, das nicht mit diesem furchtbaren, verdammten Gen gestraft ist, das John und ich vererben. Deswegen haben wir uns an ihn gewandt. Er sollte uns zu einem Kind ohne diese Erbkrankheit verhelfen.«
»Hat er Sie dazu überredet, Zwillinge zu bekommen?«
»Nein«, erwiderte John. »Wir wollten einen Sohn, nur ein Kind. Von Zwillingen war nie die Rede.«
Ein langes Schweigen folgte. Dann sagte die Psychologin: »Wissen Sie von anderen Kindern, deren Eltern die Hilfe von Dr. Dettore in Anspruch genommen haben?«
»Von einigen haben wir gehört«, antwortete John.
»Drei Zwillingspaare, die alle in der Klinik von Dettore gezeugt wurden, sind in den letzten zwei Jahren ermordet worden«, ergänzte Naomi. »Dahinter steckt vermutlich eine Gruppe religiöser Fanatiker.«
»Deswegen reden wir nicht darüber«, erklärte John. »Uns wurde geraten, die Herkunft der Kinder zu verschweigen.«
»Ziemlich schwierig, wenn man die Informationen im Internet findet«, entgegnete Sheila Michaelides.
»Deswegen sind wir umso zurückhaltender«, bemerkte John.
»Welche Rolle spielt das eigentlich für Sie?«, erkundigte sich Naomi. »Sind Luke und Phoebe deswegen für Sie Menschen zweiter Klasse, nur weil sie auf eine andere Art und Weise gezeugt wurden? Meinen Sie das vielleicht?«
»Nein, keineswegs. Aber vielleicht erinnern Sie sich daran, dass ich Sie anfangs gefragt habe, ob es irgendwelche besonderen Faktoren gäbe, die einen Einfluss auf das Verhalten Ihrer Kinder haben könnten. Sie haben aber nie erwähnt, dass Sie gezielt ihr Erbgut verändert haben. Meinen Sie nicht auch, dass es hilfreich für mich gewesen wäre, wenn ich das von Anfang an gewusst hätte?«
»Nein, ich …«, begann Naomi, doch John hob beschwichtigend die Hand.
»Sie hat recht, Schatz. Wir hätten es ihr sagen sollen.«
Naomi starrte unglücklich auf den Teppichboden. Sie fühlte sich wie früher in der Schule, wenn sie von einem Lehrer getadelt wurde. »Dr. Michaelides«, sagte sie. »Die Sache liegt ein bisschen anders, als sie scheint. Wir verlangten von Dr. Dettore nur, dass er die Gene für die Erbkrankheit eliminiert.«
»Das war alles?«
»Mehr oder weniger«, antwortete Naomi.
»Mehr oder weniger?«, fragte die Psychologin.
Betretenes Schweigen. Schließlich gestand John: »Wir haben einigen Modifikationen zugestimmt, um unserem Kind auf manchen Gebieten bessere Startchancen zu ermöglichen.«
Dr. Michaelides sah ihn skeptisch an. »Auf welchen Gebieten genau?«
»Erhöhte Widerstandskraft gegen Krankheiten – wir haben ihr Immunsystem gestärkt.«
Naomi fiel ein: »Wenn wir sagen
ihr
, stimmt das strenggenommen nicht. Wir haben uns an Dettore gewandt, weil wir ein Kind haben wollten …«
»Einen Jungen«, ergänzte John. »Einen zweiten Sohn.«
»Dennoch hat er Sie überredet, Zwillinge zu bekommen?«
»Er hat nie etwas von Zwillingen gesagt!«, wiederholte John. »Erst als Naomis Schwangerschaft schon weit fortgeschritten war, haben wir festgestellt, dass sie Zwillinge erwartete. Alle Veränderungen, für die wir uns entschieden haben, waren nur sehr geringfügig. Wir wollten sichergehen, dass unser Sohn eine gewisse Körpergröße erreicht. Dass er gut sehen, gut hören kann. Wir erklärten uns mit einer Modifikation einverstanden, durch die er als Erwachsener weniger Schlaf braucht und eine, durch die er ein Maximum an Nährstoffen aus der Nahrung verwerten kann und daher mit einem Minimum auskommt.«
»Wir stimmten auch einer geringen Verbesserung seiner Lernfähigkeit zu«, fuhr Naomi fort.
»Weniger Schlaf«, sagte die Psychologin. »Verbesserung der Lernfähigkeit. Und jetzt machen Sie sich Sorgen, weil Ihre Kinder die ganze Nacht aufbleiben und ihren Wissenshunger stillen? Was haben Sie denn erwartet?«
»Nicht so etwas«, erwiderte Naomi. »Wir wollten ihnen bloß einen guten Start ins Leben ermöglichen. Wir wollten doch keine …«
»Freaks«, ergänzte John. »Ich glaube,
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