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Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Güte, und mir wirfst du eine übertriebene Erwartungshaltung vor! Ich glaube eher, deine Erwartungen sind zu hoch gesteckt«, entgegnete John. »Außerdem darfst du nicht vergessen, dass Zwillinge etwas Besonderes sind. Wie wir gelesen haben, bleiben Zwillinge lieber unter sich, weil sie es so gewöhnt sind.«
    »Bitte mix mir auch so einen«, bat sie. »Einen großen.«
    Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Aber du weißt doch, was in den Ratgebern steht. Während der Stillzeit sollten Mütter keinen Alkohol trinken, weil er in die Milch übergeht und …«
    Die Heftigkeit ihrer Antwort erschreckte ihn. Sie packte mit einer Hand den Absolut Wodka am Hals, mit der anderen den trockenen Martini, schwenkte die Flaschen wie Schläger und schrie mit unverhohlener Wut: »Das ist mir scheißegal, John! Diese ganzen Bücher und Websites, die mir vorschreiben wollen, wie man seine Kinder klüger macht, interessieren mich einen Dreck! Leb dein Leben, du trauriger Mann, und wenn du schon dabei bist, gib auch deiner Frau ihr Leben zurück!«
    Entgeistert starrte er sie an, nachdem sie ihm die Flaschen schwungvoll in die Hände gedrückt hatte.
    »Ich stille inzwischen nur noch einmal am Tag. Ich will einen Großen, John, einen Doppelten oder sogar einen Dreifachen, das Glas bis obenhin voll, geschüttelt und mit vier Oliven. Sind Oliven ungefährlich, oder haben sie irgendeinen schädlichen Einfluss auf meine Milch? Könnten vier Oliven in meinem Martini unsere Kinder zu Idioten machen?«
    Perlendes Lachen schallte durch das Babyphon. John und Naomi drehten sich gleichzeitig um und starrten das Gerät an. Es war unheimlich, fast als lachten Luke und Phoebe sie aus.
    Während John die Drinks mixte und die Oliven auf Cocktailspießchen steckte, plapperten und kicherten die Zwillinge ununterbrochen. Sie stießen fröhliche Laute aus, riefen sich etwas zu, lachten. Als sie sie so hörte und den ersten Schluck ihres Martinis schlürfte, schien Naomi sich zu beruhigen.
    Sie nahmen ihre Drinks mit, gingen hinauf und den Flur entlang. Vor der Tür des Kinderzimmers blieben sie stehen. Die Kinder glucksten, quietschten und kicherten noch immer munter vor sich hin. Doch in dem Moment, als John die Tür öffnete, brachen die Geräusche abrupt ab.
    Phoebe lag auf der Seite, den Daumen im Mund und von ihren Lieblingskuscheltieren umgeben – ihrem Eisbären, einer Schlange, einem Zebra und einem Löwen. Sie schien fest zu schlafen. Auch Luke lag auf der Seite, einen Beißring im Mund, tief und gleichmäßig atmend.
    Naomi und John sahen sich an, und sie gab ihm mit den Augen ein Zeichen, wieder hinauszugehen.
    Draußen im Flur schloss John leise die Tür. »Wie können sie so einen Radau machen und im nächsten Augenblick tief und fest schlafen?«
    Es dauerte eine Weile, bis Naomi ihm antwortete. Sie konnte es nicht genau beschreiben, es war nur so ein Gespür, der Hauch einer Ahnung, wie eine Unterströmung, dass Luke und Phoebe bereits klüger waren, als sie zu erkennen gaben. Schließlich sagte sie: »Ich weiß es nicht.«
    In seinem Bettchen rief Luke nach Phoebe. Er stieß einen hohen Schrei aus, auf einer höheren Frequenz als eine Hundepfeife, unhörbar für das menschliche Ohr und weit außerhalb des Empfangsbereichs des Babyphons.
    Phoebe antwortete ihm, auf derselben Frequenz.

51
    DR. ROLAND TALBOT ÖFFNETE DIE TÜR seiner Praxis in der Wimpole Street und begrüßte John und Naomi, die Luke und Phoebe an den Händen hielten. »Dr. und Mrs. Klaesson«, sagte er. »Nett, Sie kennenzulernen.«
    Dann sah er Luke und Phoebe aufmerksam an und sagte: »Hi, Luke! Hi, Phoebe! Wie geht es euch?«
    Luke hatte sich zu einem engelsgleichen Jungen entwickelt, mit niedlicher Stupsnase, kobaltblauen Augen und blonder Stirntolle. Naomi hatte ihn in ein gelbes Hemd, blaue Chinos und Turnschuhe gekleidet. Phoebe, ebenfalls ein kleiner Engel nur mit etwas dunkleren und wesentlich längeren Haaren als ihr Bruder, trug ein rotes Kleid über einer weißen Bluse, weiße Söckchen und Sandalen.
    Sie reagierten auf den Arzt ebenso wie auf die meisten Leute: schweigend und mit einem starren Blick, der zwischen Neugier und Feindseligkeit schwebte.
    Unbeirrt lächelnd bat Dr. Talbot die Familie zu einem L-förmigen Sofa, das mit weichen Spielzeugen übersät war und setzte sich auf einen Sessel ihnen gegenüber.
    Der Psychiater war groß und schlaksig, hatte schütteres Haar und obwohl er auf die Vierzig zuging, wirkte er wie ein tapsiger,

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