Nur dein Leben
Pflichten gegenüber Gott.
Der Erfüllung des Großen Ritus.
Und dann Gottes Segen.
Ich blicke die Namen auf meiner Liste an und sehe euch alle vor mir. Ich lese eure Namen und habe eure Gesichter im Kopf. Ich sehe eure Häuser, ich sehe eure Kinder. Gott erlaubt mir keinen Augenblick, nicht an euch zu denken, an einen nach dem anderen, immer im Turnus.
Ich sehe Ihren Namen auf meiner Liste, Dr. Klaesson. Dr. John Klaesson und Mrs. Naomi Klaesson aus Los Angeles, Kalifornien. Ich denke in diesem Augenblick an euch und frage mich, wie ihr euch fühlt. Inzwischen habt ihr euch vermehrt. Wie geht’s der Brut, Dr. und Mrs. Klaesson?
Wie steht ihr zu dem, was ihr getan habt?
Seid ihr stolz? Oder seid ihr erwacht, habt ihr das Licht erblickt und seid von Grauen erfüllt?
Ihr müsst nicht mehr lange leiden. Schon bald erlöse ich euch von der Bürde eurer Schuld.
Und übergebe euch in die Hände Gottes. Der nicht so gnädig sein wird wie ich.
Timon Cort ging die Steinstufen hinunter, am eingefriedeten Klosterhof entlang und über die kleine Rasenfläche am Brunnen und schloss sich der dunklen Reihe der Brüder vor der Kapellentür an.
Als er durch die Zwischentür trat und den süßen Weihrauch einatmete, wurde er vom tiefgoldenen Licht im Inneren des Kirchenschiffs eingehüllt. Ein Zeichen!
Gott sandte ihm das Zeichen, um das er gebetet hatte. Gott trug ihm auf, den nächsten Schritt des Großen Ritus zu gehen.
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Naomis Tagebuch
Habe heute eine Freundin gefunden! Sie heißt Sandra Taylor und kam (in einem grünen Range Rover, wie sonst?) vorbei, um zu fragen, ob wir das Gemeindeblättchen von Caibourne, Firle und Glande abonnieren wollten. Drei Pfund im Jahr, ein Schnäppchen! Sandra hat drei kleine Kinder, darunter eines von acht Monaten, genau wie Luke und Phoebe. Im Dorf gibt es eine Krabbelgruppe, die Mütter treffen sich immer mittwochs. Das werde ich mir mal ansehen.
Heute ist Mum zu Besuch gekommen, und ich habe mich auf die Suche nach einem Zwillingskinderwagen gemacht. Ich wusste gar nicht, dass es so viele unterschiedliche Modelle gibt! Der Verkäufer hat mir die Vor- und Nachteile erklärt: wenn die Kinder nebeneinander sitzen, schauen beide in die gleiche Richtung und der Achsabstand ist kürzer, wodurch man besser rangieren kann. Sitzen sie hintereinander, hat man weniger Probleme mit schmalen Supermarktgängen …
Ich mache mir so viele Sorgen! Zum Beispiel habe ich Angst vor dem plötzlichen Kindstod und lausche immer mit einem Ohr am Babyphon, wenn die beiden schlafen. Nachts schrecke ich aus dem Schlaf, weil ich glaube, sie nicht mehr atmen zu hören.
Außerdem beunruhigt es mich sehr, dass Luke und Phoebe längere Pausen zwischen den Mahlzeiten einlegen, als die Ratgeber und Megan, unsere Gesundheitsberaterin, für normal erachten. Auch der Kinderarzt wundert sich darüber, wobei er betont, dass sie absolut gesund zu sein scheinen und definitiv sehr groß sind für ihr Alter. Auffällig groß. Da Leo Dettore uns aber prophezeit hat, dass sie schneller wachsen und sich entwickeln würden als normale Kinder, beschäftigt mich das weniger.
Man hat uns eindringlich geraten, die eigene Identität der beiden zu fördern, sie nicht »die Zwillinge« zu nennen und an ihrem ersten Geburtstag – der rasch näher rückt – zwei Geburtstagskuchen und eigene Geschenke für jeden bereitzuhalten.
Merkwürdig, wie sich Perspektiven verschieben können. Ich weiß, ich sollte dankbar sein, zwei so hübsche, gesunde Babys zu haben, und doch gilt wieder mal das Sprichwort von den süßeren Kirschen in Nachbars Garten. Unsere Zeit in Los Angeles scheint eine Million Jahre her zu sein. Eine Million Jahre, seit ich ein eigenes Leben hatte.
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Morgens um halb acht stand Naomi am Küchenfenster und sah John davonfahren. Sie beobachtete, wie seine Bremsleuchten aufglühten, als er das Viehgitter erreichte und hörte das Klappern, als er darüber fuhr. Mittwoch.
Heute zur Krabbelgruppe! Hurra! Ein Lichtblick.
Davon gab es nicht viele. Die Mittwochskrabbelgruppe, der sie sich mit Luke und Phoebe angeschlossen hatte, gehörte dazu. Sie traf sich im Dorf mit anderen Müttern und erfuhr den neuesten Klatsch. Ab und zu kamen Freunde oder ihre Mutter zu Besuch, oder sie trank mit der Gesundheitsberaterin eine Tasse Tee. Freitagmorgens kam Ron, der schlechteste Gärtner der Welt, dessen Beschäftigung Teil des Mietvertrags war und der den größten Teil des Vormittags in der Garage herumrumorte,
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