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Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Tag-und-Nacht-Gleiche heulte über die Stadt, das Land, die See.
    Ein eiskalter Schauder durchfuhr sie. Sie zitterte. Die Natur hielt so viel in ihrem verdammten Arsenal bereit. Hurrikane, Tornados, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Flutwellen, Überschwemmungen, Meteoriten, Asteroiden. Krankheiten.
    Sie nahm Johns Hand. Er erwiderte ihren Druck und drehte sich halb zu ihr um, als wolle er etwas sagen. Da kam Dr. Otterman wieder herein, schloss die Tür und entschuldigte sich für die Verzögerung.
    John und Naomi sahen ihn besorgt an, während er an seinen Schreibtisch zurückkehrte. Im Hinsetzen warf er einen Blick auf seinen Computerbildschirm, nahm einen Stift aus der schwarzen Tasse vor ihm und rollte ihn zwischen den Fingern hin und her. »Danke, dass Sie gekommen sind«, begann er. »Ich wollte es Ihnen lieber persönlich sagen als am Telefon, denn es geht um eine – nun ja – sehr seltene Störung … nichts Lebensgefährliches, aber durchaus ein Anlass zur Sorge.«
    Naomi und John warteten darauf, dass er fortfuhr.
    »Es – wie soll ich das sagen – betrifft nur einen sehr kleinen Prozentsatz von Kindern weltweit. Wir müssen noch ein EEG durchführen, um hundertprozentig sicher zu sein, aber ich zweifle kaum an dem Ergebnis.«
    In den Tunnel,
dachte Naomi niedergeschlagen.
Wir kehren in den verdammten Scheißtunnel zurück, durch den wir mit Halley gegangen sind. Tests. Krankenhäuser. Weitere Tests. Noch mehr Spezialisten. Noch mehr Krankenhäuser.
    Der Arzt steckte den Stift in die Tasse, dachte einen Moment nach, nahm den Stift wieder in die Hand und sah Naomi und John abwechselnd an. »Diese Blutung – ich wollte keine Diagnose abgeben, ohne wirklich sicher zu sein. Inzwischen habe ich die Laborergebnisse, aber sie sind nicht ganz eindeutig. Phoebe zeigt gewisse Symptome einer Störung, die als McCune-Albright-Syndrom bekannt ist.«
    John und Naomi wechselten einen verwirrten Blick. Dann sagte John: »Tut mir leid, aber von diesem – MacEwan-Albright-Syndrom, sagten Sie? – habe ich noch nie gehört.«
    »McCune-Albright-Syndrom«, wiederholte Dr. Otterman nervös und errötend. »Auch als vorzeitige Pubertät bekannt.«
    »
Pubertät,
sagten Sie?«, fragte Naomi.
    Er nickte. »Eine genetisch bedingte Anomalie, die bei Kindern verschiedene Formen verfrühter Geschlechtsreife und andere physiologische Veränderungen hervorruft.«
    Ungläubig rief Naomi aus: »Geschlechtsreife? Was soll das heißen? Phoebe ist nicht mal zwei Jahre alt – wollen Sie allen Ernstes behaupten, sie sei in der Pubertät?«
    Hilflos starrte der Kinderarzt sie an. »Ich befürchte genau das. So unglaublich sich das auch anhören mag, Phoebe hat ihre erste Periode.«

61
    ANSCHLIESSEND SASSEN NAOMI und John eine Weile lang fassungslos im Auto. John steckte den Schlüssel in die Zündung, ließ aber den Motor nicht an, sondern legte stattdessen die Hände in den Schoß. Der Wagen schaukelte im Wind.
    Vorzeitige Pubertät.
    Naomi schüttelte den Kopf und starrte auf die regengepeitschte Windschutzscheibe.
    Die Knochenalterung wird beschleunigt, und der Östrogenspiegel im Blut ist so hoch wie bei Pubertierenden oder Erwachsenen. Östrogen verzögert das Wachstum. Viele Kinder mit diesem Syndrom bleiben kleinwüchsig. Frühe Entwicklung von Brüsten. Bleibt die Krankheit unbehandelt, hat eine Fünfjährige die sexuelle Reife eines Teenagers.
    »Die Tabletten helfen bestimmt«, tröstete sie John. »Keine Sorge.«
    »Er hat gesagt, sie helfen vielleicht. Sie würden vielleicht das Syndrom aufhalten, es aber nicht heilen. Das hat er gesagt, John. Manchmal helfen die Tabletten, hat er gesagt. Manchmal.«
    »Wenigstens ist es nichts Lebensgefährliches«, erwiderte John. »Und da wir von allen Seiten hören, wie groß die beiden für ihr Alter sind, scheint auch das Wachstum nicht gehemmt zu sein.«
    »Und Luke? Warum ist er so groß?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es bei beiden nicht.«
    »Dr. Otterman hat gesagt, die Kinder glichen körperlich eher Drei- oder Vierjährigen.«
    »Aber er hat auch prophezeit, dass ihr Wachstum bald nicht mehr so schnell voranschreiten würde.«
    »Und wenn nicht?«, fragte sie.
    »Bestimmt wird es so sein«, antwortete John.
    »Woher rührt bloß dein Optimismus? Vertraust du Dr. Dettore etwa immer noch?«
    Er erwiderte nichts.
    »Ich will, dass die Kinder jedem nur möglichen medizinischen Test unterzogen werden«, verlangte Naomi. »Ich will herausfinden, auf welche Überraschungen

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