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Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:

Titel: Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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bekommen hatte, der ihm gegenübersaß und ihn über seine Brille hinweg musterte. Der Vernehmungsstuhl war ein Drehsessel an einem Fenstertisch im Tanzsalon auf dem oberen Deck. An den angrenzenden Tischen saßen weitere Besatzungsmitglieder und Passagiere und wurden von anderen Polizisten vernommen. Jeder der annähernd zweitausend Menschen an Bord musste befragt werden, bevor diejenigen, die in Åbo aussteigen wollten, von Bord gehen durften und die Fähre nach Stockholm zurückfahren konnte.
    »Bist du dir sicher, dass sie es war?«, fragte Nieminen.
    »Ja, ich erkenne sie an der Jacke wieder«, sagte Lehto und zeigte auf die Fotografie, die der Polizeifotograf einige Stunden zuvor aufgenommen hatte. »Ich erkenne auch ihr Gesicht wieder. Sie war unheimlich süß.«
    Dabei machte er eine Geste zu der anderen Fotografie hinüber, die eine Vergrößerung ihres Ausweisfotos war.
    »Wann war das?«
    »Ich glaube, es muss so um neun gewesen sein, vielleicht halb zehn. Da waren nur wenige Leute in der Bar.«
    »War sie allein?«
    »Nein, sie saß neben einem älteren Mann. Er könnte so zwischen fünfzig und sechzig gewesen sein. Aber ich glaube nicht, dass sie zusammengehörten. Zuerst dachte ich das, denn sie waren gleichzeitig gekommen, und er hat für sie beide bestellt.«
    »Was hat er bestellt?«
    »Bier, glaube ich. Aber er war nicht nett zu ihr. Sie sah aus, als fühlte sie sich belästigt.«
    »Hast du gehört, worüber sie gesprochen haben?«
    »Nein, aber ich habe gesehen, wie er sie fest am Arm gepackt hat. Er sah wütend aus. Und brutal. Ich wollte mich gerade einmischen, als ein anderer Mann dazwischenging, den sie zu kennen schien. Sie begleitete ihn zu einem Tisch direkt an der Bar.«
    Lehto deutete zu einem Tisch am anderen Ende des Lokals hinüber.
    »Dahinten, direkt links von der Bar. Es waren zwei Finnlandschweden, die dort zusammensaßen. Elegant, in Anzügen. Es wirkte, als hätten sie an dem Tisch gearbeitet, aber nachdem sich das Mädchen zu ihnen gesetzt hatte, hörten sie damit auf.«
    »Und der Mann an der Bar, der unangenehme Zeitgenosse – war der auch Finnlandschwede?«, fragte Nieminen.
    Der Barkeeper zögerte einen Moment, bevor er antwortete.
    »Nein, er war Schwede«, sagte er schließlich. »Er hatte keinen Akzent, soweit ich hören konnte. Er stand einfach auf und ging, als das Mädchen verschwunden war.«
    »Wie hat er ausgesehen?«
    »Unauffällig. Nichts Besonderes, was mir aufgefallen wäre. Außer dass er eine sehr aggressive Art hatte, wie gesagt.«
    »Dieser Mann, hast du den schon mal gesehen?«
    Nieminen zeigte dem Barkeeper eine andere Fotografie – eine Aufnahme von Jocke, die sie am Morgen gemacht hatten.
    »Nein, ich glaube nicht«, antwortete Lehto. »Hätte ich ihn sehen müssen?«
    »Er hat ungefähr zur selben Zeit an einem dieser Tische gesessen und ausgesagt, dass er sie in Gesellschaft der beiden Finnen gesehen habe. Er soll auch ein Bier bestellt haben.«
    »Das war dann wohl bei meinem Kollegen, der im Lokal unterwegs war. Manchmal nehmen wir auch Bestellungen an den Tischen auf, wenn nicht so viel los ist. Ich kann mich jedenfalls nicht an ihn erinnern.«
    »Glaubst du, dass du uns diese Männer zeigen kannst, über die wir gesprochen haben?«
    »Wohl kaum. Diese Anzugträger auf gar keinen Fall. Vielleicht den von der Bar, aber ich weiß nicht.«
    Nieminen entließ den Barkeeper und schrieb eine weitere Bemerkung in sein Notizbuch, bevor er sich dem nächsten Zeugen zuwandte.
    *
    Jocke saß im Frühstückssaal und fingerte zerstreut an einem Roggenbrötchen mit Leberwurst herum. Die Stimmung an Bord war gedrückt, die Gespräche an den benachbarten Tischen gedämpft. Er selbst fühlte sich vollkommen leer. Er hätte eigentlich etwas essen sollen, aber allein der Anblick der belegten Brötchen drehte ihm schon den Magen um. Er schaute zu den Möwen hinaus, die vor den Fenstern durch die regenschwere Luft tauchten, aber er sah sie nicht wirklich. Ein paar Stühle weiter am selben Tisch saß ein finnischer Vater und spielte Karten mit zwei Söhnen im Teenageralter. Der Stuhl ihm gegenüber wurde zurückgeschoben, und jemand setzte sich, aber er nahm keinerlei Notiz davon, sondern starrte weiter träge aus dem Fenster. Bis eine Stimme ihn schonungslos aus seinen Gedanken riss.
    »Auf dieser Reise war verdammt viel los, oder was meinst du?«
    Jocke wandte den Kopf und schaute ausdruckslos in das allzu bekannte Gesicht, ohne auf die Bemerkung einzugehen. Zuerst

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