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Nur der Tod sühnt deine Schuld

Nur der Tod sühnt deine Schuld

Titel: Nur der Tod sühnt deine Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Cassidy
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zurück.
    Während sie malte und immer wieder einen anderen Stift aus der Packung holte, redete Dr.Tredwell mit ihr.
    Haley war noch nie einem Psychologen begegnet, dafür in den letzten Tagen gleich zwei Vertretern dieses Berufszweigs. Ihre Gedanken wanderten zu dem anderen, zu Dr.Grey Banes.
    Es war verrückt. Sie hatte nur kurz mit ihm gesprochen, bekam ihn aber einfach nicht mehr aus dem Kopf. Seine hinreißenden Augen und sein freundlicher Blick hatten den Wunsch in ihr geweckt, Banes näher kennenzulernen. Irgendwie hatte sie sich in seiner Gegenwart sicher gefühlt, zumindest für einen kurzen Moment.
    Oder vielleicht musste sie auch deshalb so oft an ihn denken, weil er sie für einen Augenblick ziemlich verunsichert hatte. Als er mit ihr sprach, hatte sie ihn dabei ertappt, wie er sie blitzschnell von Kopf bis Fuß musterte, sie nicht als Opfer wahrnahm, sondern als Frau.
    Haley runzelte die Stirn, richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Einwegscheibe und verbannte den Polizeipsychologen aus ihren Gedanken.
    Während sie malte, entspannten sich Mollys Gesichtszüge, die ganz starr gewesen waren. Immer wieder fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe.
    Der Anblick versetzte Haley einen Stich, denn das Gleiche hatte Monica immer gemacht, wenn sie sich auf eine Sache konzentrierte.
O Monica, ich schaffe das nicht. Wie konntest du mich mit deiner Tochter allein lassen? Woher soll ich wissen, was gut für sie ist?
    Haley wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und zog daran, eine nervöse Angewohnheit, die ihre Mutter früher in den Wahnsinn getrieben hatte. »Wenn du so weitermachst, hast du mit dreißig eine Glatze«, hatte sie oft zu Haley gesagt, als die noch ein Teenager war.
    »Dann kann ich mir ja jetzt schon alle Haare abrasieren«, hatte Haleys trotzige Antwort gelautet.
    Ihre Mutter hatte sie entsetzt angestarrt, eine Miene, die Haley häufig zu sehen bekommen hatte. »Untersteh dich! Wenn du dir auch nur eine Strähne abschneidest, kriegst du bis zu deinem einundzwanzigsten Geburtstag Hausarrest.«
    Haley hatte auf einmal große Sehnsucht nach ihrer Mutter. Ann Lambert und ihre jüngere Tochter waren selten einer Meinung gewesen. Sie hatten sich über so gut wie alles gestritten, von der angemessenen Schulkleidung bis hin zu der Frage, welche Nahrungsmittel zu einer gesunden Mahlzeit gehörten.
    Trotz ihres stürmischen Verhältnisses hatte Haley aber nie an der Liebe ihrer Mutter gezweifelt. Wie sehr wünschte sie sich nun, dass sie noch da wäre, um ihr zu sagen, was sie tun sollte.
    Auch wenn Haley die Ratschläge ihrer Mutter immer in den Wind geschlagen hatte, jetzt wäre sie bereit gewesen, sie zu befolgen.
    Dr.Tredwell arbeitete ungefähr eine Dreiviertelstunde mit Molly. Dann kam er in den Flur, wo Haley ihn mit besorgter Miene erwartete. »Sie hat nicht mit Ihnen gesprochen.« Das war eine Feststellung, keine Frage.
    »Ich habe versucht, sie nicht unter Druck zu setzen«, antwortete er und bedeutete Haley, ihm in sein Büro zu folgen. Dort ließ er sie zuerst Platz nehmen, setzte sich dann hinter seinen Schreibtisch und breitete Mollys Zeichnungen darauf aus.
    »Ich weiß, wie wichtig es ist, dass Molly erzählt, was sie möglicherweise von dem Mord an ihrer Mutter mitbekommen hat. Meine Hauptsorge gilt im Moment aber ihrem eigenen Wohlergehen«, erklärte er. »Sie ist sehr labil, und ich möchte sie auf keinen Fall drängen. Zuerst muss ich ihr Vertrauen gewinnen, und das kann eine Weile dauern.«
    »Wie lange?«, fragte Haley.
    »Das lässt sich nicht vorhersehen. Psychotherapie ist keine exakte Wissenschaft. Es dauert so lange, wie es dauert. Ich habe Molly gebeten, drei Dinge zu malen, die sie in der letzten Woche am meisten vermisst hat.« Er hielt ein Bild hoch. »Das hier hat sie als Erstes gemalt.«
    Haley beugte sich vor und nahm das Blatt entgegen. Ihr Herz krampfte sich zusammen, und sie rang nach Luft. Die Hand, in der sie das Blatt hielt, zitterte. »Ihre Mommy«, sagte Haley leise. Es gab keinen Zweifel, wen das Bild darstellen sollte.
    Er zeigte ihr die zweite Zeichnung. »Ich nehme an, das ist ihr Zuhause?« Auf dem Bild war ein weißes Haus mit einer leuchtend roten Tür zu erkennen.
    »Ja, ja, das ist es.«
    »Und das hier hat sie als Drittes gemalt.« Auf dem Blatt, das Dr.Tredwell ihr nun reichte, fand sich ein großer Baum mit einem Baumhaus, das sich zwischen die Äste schmiegte.
    »Das ist hinten im Garten«, sagte Haley. »Mein Vater hat das

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