Nur der Tod sühnt deine Schuld
teilhaben lassen sollte, was ihn beschäftigte. Als er Haley wieder ansah, lag Besorgnis in seinem Blick.
»Wir überprüfen gerade sämtliche Verbindungen, die zwischen Ihrer Schwester und Sondra Jackson bestanden haben. Darunter ist eine, die Ihnen gegenüber noch niemand erwähnt hat.«
»Und die wäre?«
»Beide waren blond, attraktiv und unverheiratet. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch nicht sagen, ob das etwas zu bedeuten hat. Aber es ist eine offensichtliche Gemeinsamkeit, die wir, wie alle anderen Punkte auch, in Betracht ziehen. Ich dachte nur, ich sollte Sie darauf hinweisen. Schließlich sind Sie auch blond, attraktiv und unverheiratet.«
Haley starrte Tolliver für einen langen Moment an. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, als sie die volle Bedeutung seiner Worte begriff. »Wenn das ein Versuch sein soll, mich zu beruhigen, dann ist er missglückt.« Sie zwang sich zu einem Lächeln.
»Gut möglich, dass es gar keine Rolle spielt. Trotzdem sollten Sie vorsichtig sein. Wenn es sich gestern Abend so abgespielt hat, wie Sie sagen, dann gibt es jemanden, der Sie nicht gerade ins Herz geschlossen hat. Ich ordne zusätzliche Streifen in Ihrer Nachbarschaft an, und für den Fall, dass etwas passieren sollte, ist Frank gleich nebenan.«
Mit anderen Worten, sie war auf sich allein gestellt. Während sie nach Hause fuhr, dachte Haley über die Möglichkeit nach, dass ein wahnsinniger Mörder in Pleasant Hill unterwegs sein könnte, der alle blonden, unverheirateten Frauen tötete.
Falls die Polizei das wirklich vermutete, würde sie doch sicher damit an die Öffentlichkeit gehen. Aber hatte Frank Marcelli nicht gesagt, dass man erst ab drei Morden von einem Serientäter ausging? Haley hatte jedenfalls keine Lust, das dritte Opfer zu sein.
Andererseits war es genauso gut möglich, dass die Morde nichts mit der Haarfarbe und dem Familienstand der Opfer zu tun hatten. Auch wenn es, wie Grey ihr heute Morgen vor Augen gehalten hatte, leider immer noch nicht genügend Hinweise gab, die darauf schließen ließen, warum die beiden Frauen ermordet worden waren.
Haley gestattete ihren düsteren Gedanken nur selten, ganz von ihr Besitz zu ergreifen, aber als sie nach Hause kam, fühlte sie sich so niedergeschlagen wie nie zuvor.
Angelas Van stand nicht in der Einfahrt, Haley nahm also an, dass sie und die Mädchen noch im Kino waren. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt, die Kartons in Monicas Schlafzimmer durchzusehen.
Da sie diese Aufgabe besser nicht in Mollys Beisein erledigte, konnte sie sie genauso gut jetzt gleich in Angriff nehmen. Haley schloss die Haustür ab und legte den Riegel vor. Dann warf sie ihre Handtasche aufs Sofa und ging in Monicas Schlafzimmer.
Die Kartons im begehbaren Kleiderschrank waren bis zur Decke gestapelt und enthielten den gesamten Inhalt von Monicas Frisierkommode und Nachttischchen.
In den ersten war Kleidung, die Haley beiseitelegte, um sie einer Wohltätigkeitsorganisation zu spenden. Auch wenn sie und Monica einen ähnlichen Stil und die gleiche Größe gehabt hätten, hätte Haley sich nicht überwinden können, die Sachen ihrer Schwester anzuziehen. Und für Molly wäre der Anblick noch viel schrecklicher gewesen als für sie. In zwei Kartons befanden sich persönliche Dinge, die Haley sorgfältig durchgehen wollte. Dazu ließ sie sich in dem leeren Raum auf dem neuen Teppich nieder. Sie zog den kleineren Karton zu sich heran und öffnete ihn.
Als Erstes stieß sie auf einen silbernen Rahmen mit einem Foto. Haley wusste nicht, wer es gemacht hatte, aber es war augenscheinlich ein Schnappschuss von Monica und Molly, die sich eng umarmt hielten, die Köpfe zusammengesteckt und strahlend vor Glück.
Plötzlich hatte Haley einen dicken Kloß im Hals, der sie beinahe zu ersticken drohte. Mit dem Zeigefinger berührte sie das Bild ihrer Schwester, dann ließ sie ihn zu Mollys lächelndem Gesicht gleiten.
Der Mörder hatte ihr nicht nur Monica genommen, sondern auch Mollys Lächeln, das Blitzen in ihren Augen, ihre Unschuld.
Haley starrte das Foto an, bis sie durch den Schleier von Tränen nichts mehr erkennen konnte, Tränen, auf die sie seit zwei endlosen Wochen gewartet hatte.
Doch es blieb nicht bei den Tränen: Ein gewaltiges Schluchzen brach aus ihr heraus und schüttelte sie und wollte sie schier zerreißen. Sie warf sich mit dem Gesicht auf den Teppich und überließ sich ihrer Trauer.
Sie weinte um jeden Verlust, den sie erlitten hatte,
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