Nur die Küsse zählen
nicht falsch, aber ich will nicht du sein. Ich fliege gern. Es macht Spaß und bringt mich schnell an jeden Ort, aber das ist nicht mein Leben. Dass ich nicht in der Firma mitmachen will, bedeutet nicht, dass ich nicht zu schätzen weiß, was du tust. Du hast nach Mom und Dads Tod sehr viel aufgegeben. Du bist immer für uns da gewesen. Ich bin jetzt nur ein paar Jahre jünger, als du zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen bist. Und ich kann mir nicht vorstellen, genauso zu handeln wie du damals.“
Unbehaglich verlagerte Finn das Gewicht auf den anderen Fuß. „Du hast ja auch keine zwei Brüder, die von dir abhängig sind. Das ändert einiges.“
„Du hast dich um mich gekümmert“, erwiderte Stephen ernst. „Dafür bin ich, sind wir dir unglaublich dankbar.“ Er schenkte ihm ein halbherziges Lächeln. „Ich vielleicht noch mehr als Sasha.“
Finn spürte, wie er seine Schultern entspannte. „Dad wollte, dass das Geschäft in der Familie bleibt. Bill hat mich immer gedrängt, es ihm zu verkaufen, aber das wollte ich wegen euch beiden nicht.“
„Ich dachte, du liebst das Fliegen? Ich dachte, die Firma ist dein Ein und Alles.“
„Ich liebe es, zu fliegen. In Wahrheit entspricht es nur nicht meiner Vorstellung von schönem Zeitvertreib, Fracht hin und her zu fliegen. Ich will eine Charterfirma gründen und Leute überall hinfliegen. Vielleicht bringe ich auch Kindern das Fliegen bei.“ Finn atmete tief ein. „Manchmal habe ich schon daran gedacht, irgendwo anders hinzuziehen. Neu anzufangen. Die Welt beginnt und endet nicht in South Salmon.“
„Ich wusste nicht, dass dir das bewusst ist.“
„Ach, weißt du, ich habe auch meine klaren Momente.“
Stephen wurde wieder ernst. „Was in der Show passiert ist, tut mir leid. Wir wussten nicht, dass die Kameras dabei waren. Wir haben uns einfach nur unterhalten.“
„Das habe ich mir auch schon zusammengereimt“, gab Finn zu. „Ich hätte mir nur gewünscht, dass du vorher zu mir gekommen wärst und es mir gesagt hättest. Das hätte vielleicht einiges verändert.“
„Du hast recht. Es tut mir leid.“
Die Worte habe ich nicht sehr oft gehört, dachte Finn. Aber es waren die richtigen. „Mir tut es auch leid. Ich wollte dich zu nichts drängen, was du nicht tun willst.“
„Danke. Ich schätze, es hat funktioniert. Ich gehe aufs College zurück.“
Finn starrte ihn an. „Seit wann das denn?“
„Das war der Anfang meines Gesprächs mit Aurelia.“ Stephen sah verwirrt aus. „Ich habe gesagt, dass ich aufs College zurückkehren will, und dann haben wir uns über das Ingenieursstudium unterhalten.“
„Okay, daran erinnere ich mich.“
„Lass mich raten.“ Stephen verdrehte die Augen. „Du hast den Teil gehört, dass ich nicht in die Firma einsteigen will, und bist wütend geworden. Hast du noch irgendetwas anderes mitbekommen?“
Finn schüttelte den Kopf. „Offensichtlich nicht. Ich schätze, ich hätte besser zuhören sollen.“
Stephen schaute wieder unbehaglich drein. „Was Aurelia angeht …“, fing er an.
„Ich bin ihr sehr dankbar“, unterbrach Finn ihn. „Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, dich wieder für dein Studium zu begeistern, aber ich bin froh darüber.“
„Es ist eher … Du hast recht“, gab Stephen zu. „Durch sie habe ich, äh, wirklich die Wichtigkeit eines abgeschlossenen Studiums erkannt.“
Da steckte doch noch mehr dahinter. Finn merkte, dass Stephenentweder etwas verbarg oder versuchte, ihn abzulenken. Er wusste nur nicht, wovon.
Einen Moment lang dachte er darüber nach, die Wahrheit aus ihm herauszubekommen, doch dann entschied er, es gut sein zu lassen. Dakota hatte recht. Seine Brüder waren erwachsen. Sie konnten sich ganz gut selbst um ihr Leben kümmern. Wenigstens würde Stephen aufs College zurückkehren. Finn wusste, dass Sasha nach Los Angeles oder New York ziehen würde. Aber Stephen würde zu Ende bringen, was er angefangen hatte, und das war ein Sieg.
Was als ruhiges Mittagessen mit ihren Schwestern angefangen hatte, entwickelte sich nach und nach zu einem richtigen Hühnertreffen, wie sie es nannten. Es schien, dass jede Frau, die Dakota in der Stadt kannte, heute zum Lunch im „Fox and Hound“ auftauchte. Immer mehr Tische wurden in einer Ecke des Restaurants zusammengeschoben; die Touristen saßen in ihren Nischen und beobachteten die laute Truppe.
Dakota saß an einem der eckigen Tische. Alle Aufmerksamkeit war auf sie und Hannah gerichtet. Oder besser gesagt,
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