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Nur die Liebe heilt

Nur die Liebe heilt

Titel: Nur die Liebe heilt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raeanne Thayne
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beim letzten Mal nicht gesagt. Natürlich weiß ich, dass Sie eigentlich nicht hier sein wollen. Meine Mutter hat mir nicht verraten, weshalb. Sie sagte nur, Sie hätten Ihre Gründe, aber … Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie uns trotzdem helfen.“
    Plötzlich hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie so sauer und genervt reagiert hatte, als er sie zum ersten Mal darauf angesprochen hatte. Unter anderen Umständen, wenn sie selbst stabiler gewesen wäre, hätte sie diese Herausforderung wahrscheinlich begeistert angenommen. Jeder einigermaßen mitfühlende Mensch hätte die Chance ergriffen, einem Mädchen zu helfen, das schon so viel durchgemacht hatte. Jetzt schämte sie sich, weil sie sich eine ganze Woche Zeit für die Antwort gelassen und sich dabei tausend Ausreden überlegt hatte, um sich irgendwie aus der Verantwortung zu stehlen.
    Vermutlich überlegten selbst die Schweizer hin und wieder, nach vorn zu treten und mit anzupacken.
    „Gern geschehen“, erwiderte sie schließlich und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
    Er betrachtete sie mit seinen unglaublich blauen Augen, die von dunklen Wimpern umrandet waren, und einen Moment lang hatte sie den Eindruck, dass sein Blick auf ihren Lippen verharrte.
    „Ich helfe mal besser Ihrer Mutter mit Taryn“, sagte sie schnell.
    „Ach ja, richtig. Brauchen Sie Hilfe? Ich muss noch ein paar Telefonate erledigen, aber die können warten.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Das geht schon. Besser, wir üben schon mal, allein mit der Hebevorrichtung zurechtzukommen, die Sie installiert haben.“
    „Mein Büro ist am anderen Ende des Flurs. Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie einfach.“
    Sie nickte und sah ihm hinterher, wie er davonging, sein Körper stark und athletisch. Oh, in der Nähe dieses unglaublich anziehenden Mannes musste sie wirklich vorsichtig sein. Es würde wohl nicht leicht werden, immer daran zu denken, dass sie die verflixte Schweiz war, vor allem jetzt, wo sie am liebsten alle Grenzen geöffnet hätte.

5. KAPITEL
    Nur wenige Tage später verwarf Evie die Idee mit der Schweiz und beschloss, lieber Napoleon zu sein, der mit wehenden Fahnen durch Europa marschierte und Grenzen sprengte.
    So sehr sie es auch versucht hatte, es gelang ihr nicht länger, distanziert zu bleiben. Im Gegenteil. Sie war frustriert, müde und schlecht gelaunt. Auch der letzte Rest Geduld war aufgebraucht.
    In den fast zehn Jahren als Therapeutin in Los Angeles hatte sie jede Menge widerspenstige Patienten kennengelernt. Kinder, die sich weigerten, ihre Übungen zu machen, wenn sie gerade nicht in der Stimmung waren. Teenager, die einen bestimmten Song hören wollten oder bei denen das Licht genau richtig sein musste, bevor sie auch nur darüber nachdachten, ihr Trainingsprogramm zu beginnen.
    Aber das war nichts im Vergleich zu dem unbeugsamen Willen dieser Fünfzehnjährigen. „Komm schon, Taryn. Du kannst das. Ich habe die Berichte deiner Therapeuten in der Klinik gelesen, und demnach konntest du in den letzten beiden Wochen zwanzig Sekunden am Stück allein stehen. Aber mir hast du es noch kein einziges Mal gezeigt. Lügen die alle, oder hast du vergessen, wie es geht?“
    Taryn zuckte mit den Schultern, und Evie hätte am liebsten laut aufgeschrien. Jedes Mal, wenn sie am Aufstehen arbeiteten, knickten Taryns Beine ein, als wären sie aus Pudding. „Ich möchte es doch nur einmal sehen. Ein einziges Mal. Los, Liebes. Wie willst du jemals die Treppe zu deinem Zimmer hochkommen, wenn du mir nicht mal zeigst, wie gut du schon stehen kannst?“
    „Ich will … fernsehen“, sagte Taryn.
    Sie drehte den Kopf zu dem Großbildschirm an der Wand, und Evie war zugleich wütend und ermutigt. Taryn konnte schon jetzt besser Worte aneinanderreihen als vor ein paar Tagen, und Evie fragte sich, was sie mit dem Kind eigentlich falsch machte.
    „Schön“, sagte sie. „Wenn du dreißig Sekunden stehst, dann kannst du dir für eine Viertelstunde alles ansehen, was du möchtest. Einverstanden?“ Taryn schaute am liebsten völlig sinnlose Reality-Dokus, aber Evie war bereit, alles zu versuchen.
    Taryns Mund verzog sich zu diesem schiefen Lächeln. „Gut.“
    Evie zog sie aus dem Stuhl und spürte die Anstrengung in ihrem Rücken, als sie fast das gesamte Gewicht des Mädchens hielt, auch wenn Taryn noch immer dünn war, ihre Handgelenke dürr wie Äste. Vor dem Unfall war sie quicklebendig und fit gewesen, ständig umgeben von irgendwelchen Freundinnen. Sobald sie das

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