Nur die Liebe heilt
String Fever betreten hatte, war ihre Fröhlichkeit immer sofort auf alle anderen im Laden übergesprungen.
Hirnverletzungen sind einfach beschissen, dachte Evie. Zwei Menschen konnten genau dieselben Verletzungen erleiden – an derselben Stelle, gleich schlimm, alles identisch – und sich vollkommen anders entwickeln.
Inzwischen verstand sie sehr gut, dass die Ärzte in der Reha-Klinik aufgegeben hatten. Und jetzt, wo Taryn wieder zu Hause war, schien sie sogar noch weniger bereit zu sein, das anstrengende Programm durchzuziehen.
Evie musste unbedingt einen Weg finden, an sie heranzukommen, hatte aber nicht den blassesten Schimmer, wie ihr das gelingen sollte. Keine Technik, die sie bisher versucht hatte, funktionierte. Wenn Taryn also bereit war, wegen einer dummen Fernsehshow endlich ein wenig mitzuarbeiten, dann sollte es eben so sein.
„Die Gehhilfe ist gleich hier, falls du sie brauchst. Bist du so weit? Kann ich dich loslassen?“
Als Taryn nickte, löste Evie ihre Umklammerung, wobei sie die Hände allerdings inGriffnähe behielt. Taryn gelang es, ihr eigenes Gewicht zu halten und zu stehen, wobei sie sich an der Gehhilfe festhielt.
Evie hatte gerade bis fünfzehn gezählt, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung bemerkte und sah, dass Brodie ins Zimmer gekommen war.
„Dad“, rief Taryn und sank nach hinten.
Evie fing sie auf, bevor sie stürzen konnte. „Das waren keine dreißig Sekunden. Es haben noch mindestens zehn gefehlt. Also kein Fernsehen für dich.“
Taryn zog ein Gesicht, dann richtete sie sich wieder auf. Exakt zehn Sekunden später fiel sie in ihren Stuhl.
Evie lachte. „Na so was. Kopfrechnen funktioniert auf jeden Fall. Also schön, du hast es dir verdient. Eine Viertelstunde, okay?“ Sie schob das Mädchen zum Fernseher und reichte ihm die Fernbedienung mit den großen Knöpfen, die Taryn mühelos drücken konnte.
„Interessante Art der Motivation“, murmelte Brodie hinter ihr. Sie konnte an seinem Tonfall nicht erkennen, ob er einverstanden war oder nicht.
„Hey, wenn ich irgendetwas finde, das funktioniert, dann muss ich das ausnutzen. Selbst wenn es sich um totalen Mist handelt.“
Da ihre Patientin nun ein paar Minuten beschäftigt war, begann Evie, die Übungsbälle und anderen Geräte zu reinigen, die sie heute benutzt hatten – Hauptsache, sie war von Brodie Anwesenheit im Zimmer abgelenkt.
„Das brauchen Sie nicht zu machen. Mrs O. kann das übernehmen.“
„Reine Gewohnheit. Als ich meine eigene Praxis hatte, waren die meisten meiner Patienten sehr krankheitsanfällig. Deswegen haben wir nach jeder Behandlung alles desinfiziert. Ich schätze, es kann nicht schaden. Auch wenn Taryn als Einzige damit arbeitet.“
„Tut sie das? Damit arbeiten, meine ich? War es heute etwas besser?“
Brodie kam jeden Nachmittag vorbei, und Evie musste sich eingestehen, dass sie sich inzwischen auf seine Besuche freute.
„Die letzten Minuten waren die besten seit Tagen, auch wenn ich MTV gebraucht habe, um Taryn zu motivieren. Ich verdiene mir hier jeden einzelnen Penny, den Sie an die Layla-Parker-Stiftung bezahlen, das können Sie mir glauben. Wie läuft es mit der Suche nach meiner Nachfolgerin?“
„Ich habe morgen ein Gespräch mit einer weiteren Bewerberin. Wären Sie bereit, wieder dabei zu sein und mir Ihre Meinung zu sagen?“
Bisher waren die Bewerber entweder nicht qualifiziert genug gewesen oder hatten nach einer weniger langfristigen Aufgabe gesucht. Es schmeichelte ihr, dass Brodie ihrem Urteil vertraute. Wenn sie nach einem Gespräch Bedenken anmeldete, war er sofort bereit, sich nach jemand anderem umzusehen.
„Wann?“
„Um neun.“
„Gut. Dann komme ich etwas früher als sonst.“
Taryn lachte über irgendetwas, und dieses Lachen klang genauso wie früher – laut und voller Leben.
Als Evie sich wieder zu Brodie drehte, sah sie, wie liebevoll er seine Tochter betrachtete.
„Dieses Lachen habe ich vermisst. Albern, oder?“
„Überhaupt nicht“, versicherte sie.
Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. „Die letzten Jahre waren ziemlich schwierig, wir haben eigentlich ständig gestritten, wissen Sie? Jetzt kommt es mir so vor, als ob ich viel zu viel Zeit mit Vorwürfen und unrealistischen Erwartungen an sie verschwendet hätte – statt mir einfach die Zeit zu nehmen und ihr zuzuhören.“
Der Orangenduft des Desinfektionstuchs wurde stärker, als sie es fest zwischen den Fingern zusammenpresste, um nicht seinen Arm zu
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