Nur die Liebe heilt
Ich war einfach zu feige. Und das ist das Einzige, wofür ich mich bei Ihnen entschuldigen möchte. Aber schon an diesem ersten Tag konnte ich sehen, dass Charlie zu Taryn wirklich durchdringt. Ich hatte Angst, dass Sie ihm verbieten würden, weiterhin zu kommen. Ich habe diese Lüge vor mir selbst gerechtfertigt, indem ich mir sagte, dass Ihnen das Ergebnis wichtiger sein würde als die Methode, die ich wähle. Das war falsch, und es tut mir leid.“
Verdammt. Er wollte nicht, dass sie sich entschuldigte. Er wollte einfach nur, dass dieser Junge aus seinem Haus verschwand.
„Wenn ich ihn nur sehe, möchte ich am liebsten irgendwas zertrümmern.“
„Ich weiß.“ Sie sah ihn verständnisvoll an und legte eine Hand auf seinen Arm. Es war ihre Art, körperlich zu kommunizieren. Die Wärme ihrer Haut besänftigte ihn ein wenig, auch wenn er nicht hätte erklären können, wie sie das anstellte. Wie schaffte sie das so einfach? Sie musste ihn nur berühren, und sein Gehirn wurde zu Pudding. Das fand er mehr als nur etwas verwirrend.
„Ich kann Ihre Wut auf ihn vollkommen nachvollziehen, Brodie, und ich werfe sie Ihnen auch nicht vor. Aber ob es Ihnen gefällt oder nicht, als er in den Schmuckladen kam, war bei Taryn auf einmal ein Schalter umgelegt. Und das konnte ich einfach nicht ignorieren. Sie haben doch selbst gesagt, dass sie in der letzten Woche unglaubliche Fortschritte gemacht hat.“
„Das lag an Ihnen und Ihrer harten Arbeit.“
Zu seinem Bedauern zog sie ihre Hand zurück und schüttelte den Kopf. „Ich würde ja gern die ganzen Lorbeeren einheimsen, aber es liegt nicht an mir. Ja, auch bei mir hat sie Fortschritte gemacht, langsam und stetig, aber sie hat dabei immer gegen mich gekämpft. Wenn Charlie hier ist, strengt sie sich dreifach an. Und bei Hannah vielleicht doppelt so sehr – Charlie scheint irgendeine magische Gabe zu haben.“
Am liebsten hätte er die Zeit zurückgedreht bis zu dem Zeitpunkt, als er noch keine Ahnung gehabt hatte, was da hinter seinem Rücken vor sich ging. Er wollte sich damit nicht auseinandersetzen. Wenn Evie recht hatte und Charlie seiner Tochter wirklich half, wie konnte er den Jungen dann aus seinem Haus werfen?
Durchs Küchenfenster sah er sie. Taryn lachte über etwas, das Charlie sagte, sie wirkte sorglos und glücklich. Beim Lachen schien sie etwas gespuckt zu haben, denn Charlie griff nach einem Tuch und tupfte ihr so selbstverständlich die Mundwinkel ab, dass Taryn es vielleicht gar nicht bemerkte.
Seine Brust wurde eng, es fühlte sich an, als ob der kleinste Windstoß etwas in ihm zerschmettern könnte.
„Und was ist mit Beaumont? Warum macht er das?“ Seine Stimme klang erstickt, und er räusperte sich. All die vielen Träume, die er für seine Tochter gehabt hatte –dieser Junge hatte sie in einer einzigen Nacht zerstört.
Evie antwortete nicht sofort. Sie schwieg so lange, dass er schließlich den Blick von der Szene auf der Terrasse abwandte und sie ansah.
„Ich weiß nicht, ob Sie die Wahrheit hören möchten“, sagte sie schließlich. „Ich glaube nämlich, dass es ihm Spaß macht. Anfangs kam er möglicherweise, weil er ein schlechtes Gewissen hatte und …“ Sie hielt inne. „Okay, auch das wird Ihnen nicht gefallen. Aber Charlie sagte, dass sein Vater die Besuche gut findet, weil er hofft, dass sie ihm beim Prozess positiv angerechnet werden.“
Die Wut, die bereits abgekühlt war, kochte von Neuem hoch. „Dieser beschissene Mistkerl. Und Sie haben da mitgespielt, obwohl Sie wissen, dass Bürgermeister Beaumont seinen Sohn am liebsten mit einem kleinen Klaps auf die Hand davonkommen lassen will?“
„Mich interessiert nur, was das Beste für Taryn ist. Sie können mir mit allen möglichen Argumenten kommen, aber sie ist für mich das Wichtigste.“
„Wenn Charlie seine Besuche benutzt, um seine Strafe zu mindern, dann werde ich Sie persönlich dafür verantwortlich machen.“
„Klingt fair.“
„ Fair? Wissen Sie eigentlich, wie sehr ich dieses Wort hasse? In unserem Leben ist in den vergangenen vier Monaten überhaupt nichts fair gewesen! Auch nicht, dass der eine Mensch, dem ich vertraue, mich dermaßen hintergeht.“
„Dann werfen Sie mich doch raus. Wenn Sie das, was ich getan habe, so schrecklich finden, kann ich sofort gehen. Es dauert nur noch ein paar Tage, bis die neue Therapeutin anfängt. Bestimmt kommen Sie so lange auch ohne mich zurecht.“
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Wie kann ich Sie
Weitere Kostenlose Bücher