Nur dieser eine Sommer
hatte sie ständig Hunger und knabberte immerzu an irgendetwas herum. Doch sie bekam nie viel auf einmal hinunter und schob Darryl deshalb die Pommesschale quer über den Tisch zu.
„Nein. Kannst sie aufessen.“
Es war Freitagabend und dementsprechend voll bei Burger King, die Kundschaft setzte sich aus Kinobesuchern und Touristen mit übermüdeten, quengelnden Kindern zusammen. Toy bemerkte, dass Darryl Ketchup über das Kinn lief.
„Was guckst du so?“
„Du hast da ’n bisschen Ketchup“, erwiderte sie und zeigte auf die Stelle. Als er den Tropfen mit dem Finger abwischte, erinnerte Toy sich an die Sandwiches, die als Kind ihr Mittag gewesen waren, wenn das Geld für einen ordentlichen Brotbelag nicht mehr gereicht hatte. Die Situation war von ihrer Mutter zu einer Art Spiel umfunktioniert worden, indem sie kleine Ketchup-Kleckse auf Weißbrotscheiben gequetscht und das Ganze dann als „Knopf-Sandwich“ deklariert hatte. Für Toy waren diese Brote keineswegs ein Ausdruck der Armut, sondern etwas Besonderes gewesen.
„Ich denke, am 20. September sollten wir hier den Abflug machen“, verkündete Darryl, wobei er sich ein Pommesstäbchen in den Mund schob.
Es fiel ihr unangenehm auf, dass er mit vollem Mund sprach und außerdem einen Riss im T-Shirt hatte, direkt im Ärmelsaum. Mittlerweile bemerkte sie solche Dinge sofort, verlor aber kein Wort darüber, um ihn nicht zu verärgern. In letzter Zeit war er nämlich wirklich nett zu ihr, wie damals, als sie sich kennen gelernt hatten. Er versicherte ihr auch dauernd, wie sehr er sie liebte. Er machte ihr zwar keine Komplimente mehr, aber das fand sie nicht so schlimm. Schließlich wusste sie, dass man sie nicht mehr als hübsch bezeichnen konnte. Sie war nun mal schwanger.
„Meinst du, bis dahin könntest du so weit sein?“
Stirnrunzelnd betrachtete Toy ihren Milchshake, weil sie es nicht mochte, wenn Darryl sich auf diese Weise danach erkundigte, ob das Baby bis dahin zur Welt gekommen und sie wohl reisefähig sei. Gemeinheiten über das Kind äußerte er zwar nicht mehr, wies aber immer mal wieder darauf hin, dass er es für einen Klotz am Bein hielt. Seine Band hatte inzwischen die erste CD vorgelegt, wollte nun unbedingt nach Kalifornien und dort schnell berühmt werden.
Im Grunde war’s ja nicht gelogen, als sie Darryl mitgeteilt hatte, sie werde das Baby zur Adoption freigeben und dann nach Kalifornien mitkommen. Eigentlich hatte sie damit nur beabsichtigt, Darryl ausreichend Zeit zu geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er bald Familienvater sein würde. Auch Cara und Miss Lovie hatte sie nicht wirklich angeflunkert, sondern ihnen nur die halbe Wahrheit erzählt. Seit dem Unabhängigkeitstag hatte sie immer behauptet, sie fahre ins Kino, die Treffen mit Darryl allerdings verschwiegen. Sie taten ja niemandem weh, solche kleinen Notlügen.
Irgendwann stand sie sowieso mit dem Baby allein da! Cara würde bestimmt nach Chicago zurückkehren, Miss Lovie lebte nicht mehr lange, und Darryl befand sich schon halb auf dem Weg nach Westen. Es war alles ein solches Tohuwabohu! Und wenn sie sich lange den Kopf darüber zerbrach, dann wurde ihr immer ganz elend zumute. Sie wusste nur eins: Sie liebte ihr Baby und musste bis zu seiner Geburt abwarten. Kommt Zeit, kommt Rat. Irgendwie würde sich alles schon richten!
„Hal-lo! Ding-dong!“ Darryl bewarf sie mit einem Pommesstäbchen. „Was ist eigentlich heute Abend mit dir los? Ich bin die ganze Zeit am Reden, und du sitzt nur da wie ’n Ölgötze!“
„Hab nachgedacht“, antwortete sie und wischte sich über die Brust, auf der das Stäbchen wie auf einem Regalboden liegen geblieben war. „Es ist ja nicht mal August! Wie soll ich da wissen, was im September wird?“
„Augenblick mal! Wir haben schon Ende Juli! Da ist September nicht mehr weit. Ich muss schließlich vorausplanen!“
„Der Doktor sagt, das Baby könnte zwei Wochen früher oder vielleicht auch zwei Wochen später kommen. Abreise am 20. September – das wird mir zu knapp! Außerdem kann ich doch nicht einfach ein Kind in die Welt setzen, dann in ein Auto hopsen und ’ne lange Reise machen. Ich brauche erst mal einige Tage Ruhe!“
„Ausruhen kannst du dich doch im Auto! Da sitzt du doch die ganze Zeit, und wir fahren mehrere tausend Kilometer, Herrgott noch mal!“ fluchte er.
„Führ nicht den Namen des Herrn so gotteslästerlich im Mund!“
Das war ihr so herausgerutscht. Sie warf Darryl einen nervösen Blick
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