Nur dieser eine Sommer
roten Eimer möglichst nestähnlich zu präparieren. Nachdem die letzte Kugel an Ort und Stelle war, bedeckte sie alle zweiundachtzig Stück mit noch mehr feuchtem Sand, bis der Eimer randvoll war. Obendrauf platzierte sie ein Handtuch. Der Eimer war schwer, ihr Arm zitterte beim Hochheben, doch sie lief mit langsamem, stetigem Schritt, bemüht, ihre Schützlinge nicht mehr als unbedingt erforderlich durchzuschütteln. Dabei summte sie ihnen eine Melodie vor, ein Wiegenlied, mit dem Mütter überall auf der Welt ihre Kleinen in den Schlaf lullen.
Gleich einem ungezogenen Frechdachs trieb der Wind seinen Schabernack mit ihr, wehte ihren Rock hoch und stupste sie vorwärts. Lovie hielt an, damit der Eimer nicht zu sehr schaukelte. Immerhin hatte der Regen nachgelassen, wofür sie dem Herrgott dankte. Mehr durfte sie vom lieben Gott vorerst nicht verlangen, auch wenn es sie drängte, direkt hier im Sand auf die Knie zu sinken und eine ganze, verzweifelte Fürbittenlitanei anzustimmen. Eine innere Stimme mahnte sie, ihr Schicksal in Ruhe anzunehmen.
„Mama!“
Cara trabte den Pfad entlang auf sie zu, ein Anblick, der Lovie neuen Mut verlieh, obgleich sie, zitternd vor Erschöpfung, den Eimer absetzen musste.
„Wo bleibst du denn? Ich bin halb tot vor Angst um dich!“ Cara musste laut schreien, um den Wind und das Tosen der Brandung zu übertönen. „Guck dich mal an! Du bist ja klatschnass!“
„Es hat leider sehr lange gedauert! Und dann noch mein Husten!“
„Gib mir den Eimer! Komm, stütz dich auf meinen Arm!“
„Nein! Finger weg vom Eimer! Wenn du ihn anfasst, machst du dich zur Mittäterin!“
„Ach, Unsinn! Du kannst ihn doch nicht schleppen. Ich werde den Teufel tun und dich den Eimer tragen lassen! Wo bringst du das Gelege eigentlich hin?“
„Zum Haus!“
„Das darfst du nicht!“
„Caretta, ich habe keine Zeit für lange Diskussionen. Das Wasser steigt stetig höher. Am ganzen Strand gibt es für diese Kleinen hier keinen sicheren Ort mehr, und jetzt noch weiter oben nach einem geeigneten Platz zu suchen, dazu ist es zu spät. Mir bleibt keine andere Wahl.“
„Na, meinetwegen“, murmelte Cara, nahm mit der einen Hand den Eimer und packte mit der anderen ihre Mutter am Arm. Kalte Regentropfen klatschten ihr heftig ins Gesicht. „Beeilung, Mama, es fängt wieder an zu regnen!“
Sie setzten sich in Bewegung und kämpften gegen die Windböen und Regenschauer an. Am Haus angekommen, blinzelte Cara durch die Regenschwaden und nahm eine Gestalt wahr, die an ihrem Saab stand. Brett!
Er trug Jeans und einen olivgrünen Poncho. Nasse Haarsträhnen klebten an seinem vor Sorge ganz grau gewordenen Gesicht. Cara fühlte einen Kloß im Hals, so groß war die Erleichterung, ihn zu sehen. Am liebsten hätte sie den Eimer fallen lassen und sich Brett in die Arme geworfen.
Mit düsterer Miene und wuchtigen, zornigen Schritten stapfte er auf sie zu. „Was sucht ihr denn noch hier draußen, zum Kuckuck?“ brüllte er. Dann sah er den roten Eimer. Der Zorn verschwand aus seinem Gesicht.
Cara hatte es nicht gerne, wenn man sie anschrie. „Wir mussten das Gelege ausräumen“, fauchte sie ihn durch den Regen an und schritt zornig an ihm vorbei. „Die Düne war im Begriff wegzubrechen!“
„Seid ihr des Wahnsinns?“ fragte er, bot dann Lovie galant den Arm, als geleite er sie die Stufen zu einem Ballsaal hinauf. „Miss Lovie, Sie müssten längst fort sein!“
„Meine Schuld“, gestand Lovie, die sich schwer auf seinen Arm stützte. „Ich war so langsam. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, das ganze Gelege hierher zum Haus zu verlegen. Cara ist schon seit Stunden abreisefertig!“
„Vor mir brauchen Sie sie nicht zu verteidigen.“
„So?“ Sie schaute ihm prüfend ins Gesicht, das vollkommen verschlossen und undurchdringlich wirkte.
Als sie wieder im Haus waren, konnten sie ihr Gespräch in gedämpfterem Tonfall fortsetzen. „Miss Florence und ihre Mutter sind wohl schon weg, wie? Auf mein Klopfen reagierte niemand“, berichtete Brett.
„Abgereist“, erklärte Cara, die beobachtete, wie er von einem Fenster zum anderen ging und den Sitz der Läden und Holzplatten überprüfte. „Keine Sorge. Ich habe jede Menge Nägel reingehämmert.“ Und zu Lovie gewandt meinte sie: „Mama, ich bringe das Gelege sicher unter. Du ziehst dich jetzt sofort um. Du bist nass bis auf die Haut.“
Brett folgte Cara in die Küche, wo sie Töpfe und Pfannen aus einem Unterschrank räumte und dann
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