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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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den Rahmen der Durchgangstür zum Foyer klammerte. Ihre Mutter eilte ihr nicht etwa zu Hilfe oder stellte sich schützend vor ihr Kind. Nein, sie schaute nur zu, das Gesicht bleich, die Augen vor Entsetzen geweitet. In diesem Moment hörte Cara schlagartig auf zu weinen, stand auf und starrte ihrem Vater, der weiter auf sie einschlug, unerschrocken ins Gesicht, so lange, so aufrecht, bis er ernüchtert von ihr abließ. Der Schmerz in ihrem Innern war so groß, dass sie seine Hiebe nicht mehr spürte.
    Und nun hockte Cara wieder in einem Winkel, in Todesangst zusammengekauert, während um sie herum die Elemente wüteten und die Winde tobten wie irrsinnige Furien. Plötzlich merkte sie, dass ihre Mutter ihr die Hand auf die Schulter gelegt hatte.
    „Liebes“, sagte Lovie. Dann, mit festerer Stimme noch einmal: „Liebes! Guck mich an!“
    Cara wandte sich um und blickte auf. Lovie stand kerzengerade vor ihr.
    „Ja, ich habe nicht eingegriffen, als er dich an jenem Abend schlug“, begann sie. „Und in dem Augenblick war mir klar: Du musstest fort aus dem Haus. Zu deiner eigenen Sicherheit. Als du uns dann verließt, brach es mir das Herz, doch ich hielt dich nicht auf, denn ich liebte dich mehr als mein Leben. Ich kannte den Weg, den ich gegangen war, und auf diesem Pfad solltest du mir nicht folgen. Vielleicht hätte ich gemeinsam mit dir weggehen sollen, doch ich habe es nicht getan und kann es nicht mehr ändern. Jetzt allerdings werde ich dich begleiten. Ich liebe dich, Cara. Du bist mir sehr wohl wichtig.“
    „Mama …“ schluchzte Cara.
    Lovie fuhr ihrer Tochter mit der Hand über das feuchte Haar. „Meine kleine Seeschwalbe“, flüsterte sie. „Komm, nimm meine Hand.“ Sie half Cara auf die Füße. „Ich habe viel zu erklären, doch jetzt ist nicht die Zeit dafür. Wir müssen fort!“
    Hand in Hand traten sie in den Sturm hinaus. Brendans Atem streifte sie bereits, doch seine tödliche Kraft hatte sich noch nicht entfaltet. Arm in Arm den Elementen trotzend, kämpften Mutter und Tochter sich bis zum Auto vor. Sie hatten kaum die Straße erreicht, da öffnete der Himmel vollends seine Schleusen. Die Fahrbahn war kaum zu erkennen, obwohl die Scheibenwischer Schwerstarbeit leisteten. Cara saß vornüber gebeugt, die Hände fest am Lenkrad, blinzelte angestrengt durch den strömenden Regen und kroch im Schneckentempo in Richtung Palm Boulevard. Sie rollten durch eine Geisterstadt; die Straßen waren menschenleer, die meisten Häuser verbarrikadiert. Cara fuhr vorsichtig, immer auf der Hut vor herabstürzenden Stromversorgungsleitungen oder überspülten Straßenabschnitten. Sie fragte sich, welche Windverhältnisse wohl auf der Verbindungsbrücke herrschen mochten.
    „Ach, du großer Gott! Da vorn! Guck dir das an!“ Cara spähte durch die Regenschauer. Unweit der Brücke war eine alte Eiche geborsten und hatte sich quer auf den Boulevard gelegt. Mit plötzlich trockenem Mund trat Cara auf die Bremse. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen: Das gewaltige Astwerk versperrte die gesamte Breite der Fahrbahn. Windstöße warfen den Wagen hin und her. Regen trommelte gegen die Scheiben.
    „Kann man das Hindernis umfahren?“ erkundigte sich Lovie ängstlich.
    „Das versuchen wir am besten erst gar nicht. Überall liegen Stromleitungen herum, und die Nebenstraßen sind bestimmt überflutet.“
    „Dann lass es lieber. Wenn das Wasser weiter steigt, würden wir vermutlich weggespült.“ Lovie führte ihre Hand zitternd zum Mund. „Und die Ben-Sawyer-Brücke? Könnten wir umkehren und die benutzen?“
    „Laut Verkehrsmeldung im Radio ist die bereits geschlossen worden. Bei Hurrikan Hugo ist sie ins Wasser gestürzt, weißt du noch?“ Cara kostete es große Mühe, die Fassung zu bewahren. Durch die hektisch hin- und herzuckenden Scheibenwischer betrachtete sie die blockierte Fahrbahn. „Wir sitzen hier in der Falle! Was nun?“
    „Cara, kehr um und bring uns nach Hause“, befahl Lovie in einem energischen, festen Ton, sodass Cara verblüfft den Blick von der Straße abwandte. „Im Strandhaus sind wir bestimmt sicher.“
    „Aber wenn es überschwemmt wird …“
    „Das Grundstück liegt recht hoch, und das Haus steht auf Pfählen. Hier können wir jedenfalls nicht bleiben – und ein anderer Ausweg fällt mir nicht ein. Wir müssen unbedingt aus dem Wagen raus!“
    Mit fahrigen Bewegungen legte Cara den Rückwärtsgang ein, wendete und machte sich auf den Heimweg.
    „Vielleicht kommen wir ja

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