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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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das übliche Quantum.“
    „Höchstwahrscheinlich Veranlagung“, meinte Lovie mit Nachdruck, packte Cara das Tablett auf den Schoß und legte ihr eine Serviette zurecht. „Deine Großmutter litt unter solch grässlichen Kopfschmerzen, dass sie sich tagelang ins abgedunkelte Schlafzimmer verkroch.“
    Cara nahm einen Löffel von der Brühe und kostete sie. „Gott, ich habe total vergessen, wie köstlich deine Suppen schmecken!“
    Lovie nahm das Kompliment nicht ohne Stolz entgegen und schaute ihrer Tochter beim Essen zu.
    „Falls die Gene wirklich durchschlagen“, antwortete Cara, während sie weiterlöffelte, „dann schlummert tief in mir wohl auch das Talent für solche Kochkünste. Für Suppen, Gemüse oder Grillsaucen.“ Sie blies auf den Esslöffel voll heißer Brühe, den sie gerade zum Mund führte. „Allerdings liegt diese Veranlagung wohl sehr tief verborgen“, schloss sie augenzwinkernd und schob sich die Flüssigkeit in den Mund.
    „Pah! Das hat mit Veranlagung nichts zu tun. Das ist schlicht und einfach Übung. Ich habe dich im Kochen unterrichtet, seit du alt genug warst, um mir in der Küche zur Hand zu gehen. Als Mutter wäre ich doch keinen Schuss Pulver wert, wenn ich nicht meine Familienrezepte an meinen Nachwuchs vererben würde!“
    Cara blickte in ihren Suppenteller.
    „Was ist, Liebes? Du siehst aus, als hättest du Kummer. Möchtest du darüber sprechen?“
    „Ungern.“ Cara verstummte. Ihre Antwort hatte nicht unwirsch klingen sollen, doch sie war ihr einfach so herausgerutscht – ihr üblicher Abwehrreflex, wenn jemand ihr zu nahe zu kommen drohte, auch wenn dieser Jemand die eigene Mutter war. Vielleicht sogar gerade deswegen. Um den Keil nicht noch tiefer zu treiben, fügte sie hinzu: „Jetzt noch nicht.“
    Lovie wandte sich zur Tür und wollte hinausgehen. „Falls du’s dir anders überlegst – ich stehe dir zur Verfügung.“
    „Mama!“ rief Cara.
    Die Hand schon auf der Türklinke, drehte Lovie sich um.
    „Danke. Für die Suppe.“
    „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Das ist doch meine Aufgabe als Mutter! Ich hab’s gern getan.“
    „Das weiß ich. Trotzdem – danke für alles.“
    Lovie wischte sich die Hände an der Schürze ab und nickte. Ihre Augen glänzten vor Dankbarkeit. „Und brav aufessen, hörst du? Ich hole nachher das Tablett ab.“
    Seufzend lehnte Cara sich in die Kissen zurück. Aller Anfang war wirklich schwer!
    Der Memorial Day rückte heran. Das gesamte Wochenende hindurch hielt das Regenwetter an. Festmärsche mussten abgesagt, Picknicks von draußen nach drinnen verlegt werden. Lovie konnte sich das Nörgeln und Murren, das bestimmt in allen Hotels und Ferienhäusern der Insel zu hören war, lebhaft vorstellen. Sie ihrerseits freute sich über das dringend benötigte Nass, waren die Spitzen der Fächerpalmen doch bereits vertrocknet. Darüber hinaus bedeutete der wolkenverhangene Himmel eine willkommene Abwechslung, eine Chance zur inneren Einkehr. Das Wetter regte Lovie außerdem dazu an, sich bislang zu kurz gekommenen Aufgaben im Haus zu widmen, zum Beispiel ihren Fotoalben.
    Schon immer war es ihre Absicht gewesen, ihre private Fotosammlung in Alben zu kleben. Sie hatte allerdings viele Jahre dafür nie Zeit gefunden. Daher war die Masse der Bilder in Schuhkartons gewandert, sicher verwahrt zwar, doch kunterbunt durcheinander. Seit Lovies Umzug ins Sommerhaus stand die Kollektion jedoch ganz oben auf der Tagesordnung. Folglich hatte Lovie in den vergangenen vier Monaten mehr Alben angelegt als in vierzig Jahren zuvor.
    An diesem regnerischen und grauen Nachmittag war Lovie so ins Bildersortieren vertieft, dass sie gar nicht bemerkte, wie Florence Prescott, ihre langjährige Freundin und Nachbarin, durch die Küche hereinkam.
    „Wühlst du etwa immer noch in deinen uralten Aufnahmen herum?“
    Lovie schaute hoch und begrüßte Flo mit einem Lächeln. „Immer noch? Schätzchen, da haben sich Fotos in rauen Mengen angesammelt. Die kann man im ganzen Leben nicht einordnen. Jedenfalls ich nicht mehr.“
    Flo machte ein nachdenkliches Gesicht. Die hellblauen Augen blickten ernst. „Wieso? Wie geht’s dir denn? Irgendwelche Veränderungen?“
    „Nein. Damit ist auch nicht zu rechnen.“
    „Na, warum so trübsinnig? Das ist doch kein schlechtes Zeichen! Nichts überstürzen!“ Sie trat näher und ließ sich neben Lovie auf das Sofa sinken. Flo war mittelgroß und hatte die typisch schlanke, drahtige Figur der Langstreckenläufer,

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