Nur dieser eine Sommer
mit dem Zeh im Sand herum. „Bei uns ist es ein bisschen so wie früher bei deinen Eltern.“
Cara blinzelte irritiert. Ihre Mutter war stets vor ihrem Mann in das Haus am Meer geflüchtet, was Emmi indes nicht wissen konnte. In ihrer Jugendzeit waren sie zwar eng befreundet gewesen, doch in die Probleme ihres Elternhauses hatte Cara die Freundin nie eingeweiht. Wenn Lovie ihr eins eingebläut hatte, dann die Regel, dass schmutzige Familienwäsche um keinen Preis in der Öffentlichkeit gewaschen wurde.
„Seit der Geburt unserer beiden Jungs sind wir immer jeden Juli und über Weihnachten hergekommen. Die Bengel fanden es hier immer klasse, und Tom und mir gefiel es natürlich auch. Seit sich meine Eltern voriges Jahr als Rentner nach Florida zurückgezogen haben, steht mir das Sommerhaus ganz zur Verfügung. Und da bin ich nun.“
„Und die Jungs? Was machen sie so? Sind doch bestimmt knackige braune Surf-Burschen, was? Richtige Herzensbrecher!“
„Ja und nein. Hin und wieder lassen sie sich am Wochenende hier blicken. James, der Älteste, lebt nur für sein Studium und hält es für Zeitverschwendung, den Sommer hier zu verbringen. Also bleibt er gleich an der Uni. John hat seinen Beruf und einen großen Freundeskreis. Wenn er kommt, stellt er sich auch schon mal aufs Surfbrett, aber eher selten. Er zieht Atlanta vor. In seinem Alter hat man nicht gerade große Sehnsucht nach seiner Mami.“
„Das heißt, den Sommer über wohnst du allein hier?“ hakte Cara nach.
„Jawohl. Und ich genieße jede Sekunde. Frei wie ein Vogel! Juchhu!“ Sie breitete die Arme aus und ahmte die Flatterbewegung der Vögel nach.
Cara musste lachen. „Verrückt wie immer!“
Emmi ließ die Arme sinken, setzte dann den Hut ab und fuhr sich durchs Haar. Die lange, dichte Mähne, die Cara einst so bewundert hatte, reichte nur noch bis zum Kinn und zeigte Ansätze von Grau – ein Anblick, der Cara mit Melancholie erfüllte.
„Nein, verrückt bin ich nicht mehr. Eigentlich schade. Aber einen ganz kleinen Spleen versuche ich mir noch zu erhalten. Aber sparen wir uns das für später auf. Jetzt schieß erst mal los und erzähl mir von dir! Wie man hört, bist du ’n großes Tier in der Werbebranche. Ich hab’s ja immer gewusst, dass du es mal zu was bringst, Caretta Rutledge!“
Seufzend setzte Cara sich auf den langen Palmenstamm, den die Brandung angeschwemmt hatte, und bedeutete der Freundin, auch Platz zu nehmen. Emmi ließ sich neben ihr nieder. Sie streckten die langen Beine aus, wie sie es als Kinder immer getan hatten. Neben Emmis stämmigen, braun gebrannten wirkten die von Cara dünn und käsig.
„Nein, ich arbeite nicht mehr für die Werbeagentur. Die Zeiten sind vorbei“, erwiderte Cara und stemmte die Absätze in den Sand. „Ich bin gegangen worden. Unmittelbar bevor ich herkam. Eines Morgens gehe ich ins Büro, hab einen neuen Großkunden an der Angel, und kaum war ’ne Stunde herum, da setzen sie mich vor die Tür, und zwar mit Eskorte. So eine Erfahrung wünscht man seinem ärgsten Feind nicht, das kann ich dir flüstern.“
„Wie bitte?“ Emmi konnte es kaum fassen. „Hast du etwa Riesensummen unterschlagen oder mit ’ner Maschinenpistole in der Cafeteria rumgefuchtelt?“
Cara lachte. „Von wegen! Sagen wir mal, es war Großreinemachen, und man betrachtete mich als einen überflüssigen Fussel. Zwar als einen großen und nicht ganz billig zu entsorgenden Fussel, der jedoch trotzdem reif für den Mülleimer war.“
„Mensch, Cara, das tut mir aber Leid!“
„So etwas geschieht eben. In dieser Branche sogar öfter, als man denkt. Allerdings rechnet man nie damit, dass es einen selbst trifft.“
„Und wie fühlst du dich jetzt? So einigermaßen? Oder musst du bereits den Hut herumgehen lassen, weil du arbeitslos bist? Schon als Kinder haben wir uns geschworen, dass wir uns gegenseitig aufnehmen, falls Not am Mann sein sollte. Also, meine Tür steht dir offen!“ Sie unterbrach sich. „Bist du deshalb nach Hause zurückgekehrt?“
Cara schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann mich schon selbst über Wasser halten“, antwortete sie. „Bis jetzt zumindest. Wegen meiner langjährigen Firmenzugehörigkeit hatte ich Anspruch auf eine generöse Abfindung. An den Bettelstab hat’s mich also noch nicht gebracht, doch andererseits ist es auch nicht so, dass ich jetzt schon ausgesorgt hätte. Ich hoffe, noch diesen Sommer einen neuen Job zu haben. Eine Headhunterin schaut sich bereits nach einer
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