Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
Vom Netzwerk:
beim Diskutieren. Ich hab’s noch vor Augen, wie du dastandest, kerzengerade, die Brille mit dem großen roten Gestell auf der Nasenspitze. Dir konnte keiner das Wasser reichen. Du hast deine Gegner in Grund und Boden argumentiert.“
    „Auweia, die Rhetorikkurse! Erbärmlich! Aber so lief das in den achtziger Jahren. Deshalb wird man mir wohl all die taktlosen Sprüche verzeihen, die damals Mode waren. Ich weiß allerdings noch, wie neidisch ich war, weil dir die Stipendien von den Elite-Unis geradezu nachgeworfen wurden. Ich hielt das für sexistisch und für durch und durch ungerecht.“
    Er zuckte mit den Schultern und winkte bescheiden ab. „Das waren eh nur Sportstipendien.“
    Sie musterte ihn. War seine Bescheidenheit echt? „Aber die Noten musste man erst mal haben, um von Dartmouth oder Harvard angenommen zu werden. Dafür hätte ich wer weiß was gegeben! Aber dich interessierte das alles nicht richtig, was ich bis heute nicht begreife. Wohin hat’s dich denn verschlagen?“
    „Clemson. Universität von South Carolina. Ich wusste damals schon, dass ich in der Gegend bleiben und mich hier niederlassen wollte. Und ich hab ja die Elite-Unis auch nicht selbst abgeklappert, sondern die haben vielmehr bei mir angeklopft. Ich hatte immer schon vor, nach Clemson zu gehen und dort Meeresbiologie zu studieren.“
    „Du hast Yale und Harvard sausen lassen?“ Cara konnte es noch immer nicht fassen.
    „Und du?“ fragte er mit entwaffnender Gleichmut. „Wo bist du gelandet? Nach dem Abi warst du wie vom Erdboden verschluckt.“
    „Ich bin nirgends gelandet. Nicht direkt auf ’nem College, meine ich damit.“
    „Echt nicht? Das überrascht mich. Du wirktest immer wie eine … wie ’ne Intellektuelle!“
    „Intelligenzbestie, wolltest du wohl sagen, was?“ Sie grinste, wurde dann aber ernster und lieferte ihm im Stakkatostil einen Kurzbericht ihres Werdegangs. „Von zu Hause weg, Umzug nach Chicago, Beruf, nebenbei College und Bachelor-Abschluss, danach Uni und Magister.“ Und nicht ohne Stolz fügte sie hinzu: „Alles im Alleingang.“
    „Wundert mich bei dir nicht.“
    Bei seinem Lächeln verflog auch ihr letzter Rest von Reserviertheit. Eine Weile ging ihnen der Gesprächsstoff aus; beide schauten aufs Wasser hinaus, während das Boot in flotter Fahrt dahinglitt.
    „So, dann wieder an die Arbeit“, meinte er schließlich, als die langen weißen Strände von Capers Island in Sicht kamen. Er übernahm wieder das Steuer, während der Gehilfe die Ausrüstung klarmachte.
    Cara setzte sich wieder, kritisch beäugt von dem Damen-Duo, das sichtlich pikiert zur Kenntnis nahm, dass sie so lange mit dem Führer geplaudert hatte. Brett manövrierte das Boot an einen schmalen Landungssteg, der zu einem bewaldeten Abschnitt der Insel führte. Die Gästeschar strömte von Bord. Cara kam sich vor wie bei einem Schulausflug, auf dem es nun im Fußmarsch weiterging. Dank seiner Körpergröße konnte man Brett immer im Auge behalten und ihm leicht folgen, vorbei an Austernbänken im Watt, an einem Hain mit uralten Eichen, die ein zauberhaftes Webdach aus Laub und Moos über die Gruppe breiteten, an Alligatoren, die sich in Süßwassertümpeln sonnten.
    Der Spaziergang endete an „Boneyard Beach“, einem blendend weißen Sandstrand, der von abgebrochenen dunklen Ästen und umgestürzten Baumstämmen übersät war. Hier hatten alle eine Stunde zur freien Verfügung und konnten auf eigene Faust die Gegend erkunden, bevor dann die Rückfahrt angetreten werden sollte. Cara spürte, wie ihr die Haut kribbelte, nicht von der Sonne, sondern weil sie sicher war, dass Brett sie schon quasi aufs Korn genommen hatte. Gemächlich schlenderte sie am Strand entlang und hielt alle paar Schritte an, um Muscheln zu untersuchen. Aus den Augenwinkeln konnte sie beobachten, dass Brett in die Fänge der beiden Damen geraten war, die wild entschlossen schienen, ihn nicht so schnell entkommen zu lassen. Aber er registrierte Caras Blick, legte den Kopf schräg und lächelte. Die Damen wandten sich um und gafften naserümpfend zu ihr herüber.
    Sie lächelte zurück und bückte sich nach einer Muschel. Einen Augenblick später bemerkte sie seinen Schatten im Sand.
    „Da hast du gerade eine Wellhornschnecke aufgelesen.“
    Sie betrachtete die große, gewundene Muschel, die einem spiralenförmigen Schneckenhaus ähnelte. „Als Kind kannte ich sämtliche Arten. Inzwischen hab ich alles vergessen.“ Sie schüttelte den Sand aus dem

Weitere Kostenlose Bücher