Nur dieser eine Sommer
robustere Art. Nicht so ’n gelackter Traumbubi, Gott sei Dank!“
„Aber ich wette, die Footballmuskeln, die hat er noch, was? Mein lieber Scholli!“
„Also, ich als Frau hielt es immer schon mit dem Motto ‚Grips kommt vor Muskeln‘.“ Hoheitsvoll reckte Cara das Kinn.
„Brett hat beides“, konterte Emmi schlagfertig.
„Dir macht das hier wohl Spaß, was?“
„Ich durchlebe alles lediglich stellvertretend für dich und sonne mich in deinem Glanz. Schließlich muss ich was für mich tun, denn mein eigenes Liebesleben liegt danieder.“
„Na, wen wundert’s? Schließlich bist du Strohwitwe.“
Emmi stoppte ihren Schaukelstuhl. „Hat mit Strohwitwe nichts zu tun. Es liegt auch danieder, wenn er daheim ist.“
„Jetzt mach aber mal ’nen Punkt! Du und Tom, ihr seid doch das Vorzeigepaar an sich! Inklusive Sandkastenliebe und so weiter!“
Emmis Schaukelstuhl setzte sich wieder in Bewegung. „Alle Lovestorys enden mal.“
„Ich hoffe, du machst nur Witze!“
„Keineswegs. Es ist mein voller Ernst. In letzter Zeit hab ich fast das Gefühl, als sei er froh, wenn er wieder eine Reise antreten kann. Und ich geb’s zu, mir geht’s genauso!“
„Tom liebt dich doch! Hat dich immer geliebt!“
Sie zuckte mit den Achseln. „Sicher, nur nicht mehr so wie früher. Und ich liebe ihn auch nicht mehr so, wie’s mal war.“ Sie zog ein langes Gesicht und senkte die Stimme. „Es ist nicht leicht, etwas für einen Mann zu empfinden, wenn er dauernd fort ist. Wir haben auch keine gemeinsamen Interessen mehr, nicht mal bezüglich der Jungs. Und scharf aufeinander sind wir ebenfalls nicht mehr. Na ja, nach zwanzig Jahren ist der Lack wahrscheinlich ab.“ Sie wackelte mit den Zehen. „Also, ich hätte nichts dagegen, mal wieder die Fühler auszustrecken. Nur so als Versuch!“
„Also, ich muss schon sagen!“
„He! Guck mich nicht so an! Wieso auch nicht? Er tut’s doch auch. Weiß ich genau!“
Das Bild des schüchternen, verschämten Tom, der sich mit rotem Kopf vorbeugte und ihr den ersten Kuss auf die Lippen drückte, schoss Cara durch den Kopf. „Das nehme ich dir nicht ab. Tom war immer so zurückhaltend und so … konservativ. Er war der einzige Typ aus unserem Bekanntenkreis, der nichts von Sex vor der Ehe hielt.“
„Jetzt hält er eben viel von außerehelichem.“
„Gibt’s doch nicht!“ rief Cara.
Emmi betrachtete sie schweigend.
„Du bringst mich noch um“, zürnte Cara. „Jetzt bleibt mir heute schon zum dritten Mal das Herz stehen! Bist du sicher?“
„Ich habe in seinem Hotel fünf Nachrichten für ihn hinterlassen. Zu sämtlichen Nachtstunden. So fleißig, dass er nachts noch in der Fabrik herumgeistert, ist selbst Tom nicht.“
Cara versuchte, eine plausible Erklärung für Toms Verhalten zu finden. Erfolglos.
„Es wäre nicht zum ersten Mal“, fuhr Emmi fort. „Freilich, wenn er heimkommt, konfrontiere ich ihn nie damit. Wir leben unser Leben, als wäre nichts geschehen. Ich bin nicht feige, sondern nur bequem. So zu tun, als ahnte ich nichts, ist einfacher, als ihn zur Rede zu stellen. Und der Witz ist: Nach einiger Zeit kommen mir selbst Zweifel an der Sache, und bevor ich mich versehe, vergesse ich das Ganze – bis alles wieder von vorn losgeht.“
Cara wusste nicht, was sie sagen sollte.
Emmi klatschte mit der Hand auf die Lehne des Schaukelstuhls. „Ach, ich will auch gar nicht über dies langweilige Zeug quatschen!“
„Wirklich nicht?“
„Ich habe mir die Suppe eingebrockt, also muss ich sie auch auslöffeln. Selbst wenn’s nicht in meiner Küche ist“, fügte sie noch hinzu und verzog ihren breiten Mund zu einem sarkastischen Grinsen. „Die Frage des Tages lautet vielmehr: Wohin führt Brett Beauchamps dich aus?“
„Zu einem Picknick.“
„Ach, du liebes Lieschen! Lass mich raten: du, er, ein Boot und ein Trip zu irgendeinem abgelegenen Inselchen. Von diesen Picknicks hab ich schon zu Schulzeiten Sagenhaftes vernommen! Sprüh dich bloß überall mit Mückenspray ein!“
Wieder musste Cara lachen, doch innerlich war sie gespannt wie ein Flitzebogen. Denn auch sie hatte damals von Bretts Picknicks gehört.
Nach der Eiablage setzt die Meeresschildkröte ihre Hinterbeine wie Harken ein, um eine Sandschicht auf das Gelege zu kratzen. Mit den Vorderbeinen wirbelt sie ringsum Sand auf, um Spuren zu verwischen und das Umfeld des Nests zu tarnen. Nach getaner Arbeit tritt das Weibchen schwerfällig den Rückweg in die schützende See an.
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