Nur dieser eine Sommer
Zum Nest kehrt es nie wieder zurück.
11. KAPITEL
B rett holte Cara in einem kleinen Außenborder ab.
„Du schreckst offenbar vor nichts zurück“, bemerkte sie, als er ihre Hand nahm und ihr vom Hafenkai in das etwa vier Meter lange flache Fahrzeug half. Im Vergleich zu der Nussschale wirkte das längsseits liegende Ausflugsschiff geradezu wie ein Ozeanriese.
„Zu dem Örtchen, das ich im Kopf habe, gelangen wir nur in einem Boot mit möglichst wenig Tiefgang“, erklärte er. „Jetzt nimm Platz, sonst plumpst du mir noch ins Wasser!“
Vorsichtig balancierte sie auf ihren Sandalen mit Gummisohlen zu der flachen metallenen Sitzbank und hielt sich dabei an beiden Bordwänden fest. Damit sie sich überhaupt im Bug setzen konnte, musste Brett zunächst eine riesige Kühlbox, Angel, Kescher, Gummistiefel und dicke Gummihandschuhe aus dem Weg räumen – wahrlich nicht das übliche Beiwerk für ein Rendezvous. Endlich ließ auch er sich im Heck nieder, zwinkerte ihr zu und lächelte erwartungsvoll wie ein kleiner Junge. Ein letzter Kontrollblick, dann drehte er sich um und machte sich am Außenbordmotor zu schaffen.
„Und wohin geht die Fahrt?“
„Ist noch geheim.“
„Vermutlich bin ich nicht die Erste, die du dorthin entführst.“
Er lachte. „Mitnichten!“ Dann überprüfte er Ölstand und Treibstoffvorrat. „Manche meiner Freunde haben versucht, den Platz selbst wieder zu finden. Ich musste sie dann immer auflesen, wenn sie sich verfranst hatten.“
Verunsichert starrte Cara auf die weite Ebene aus dicht mit Binsen bewachsenem Marschland, das sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schien. „Und? Könnten wir uns da auch verfahren?“
„Manche schaffen das.“ Er setzte eine dicke Sonnenbrille auf, griff nach hinten und startete den Motor.
Die Maschine sprang an, und Cara hielt sich an der Bordwand fest. Geschickt manövrierte Brett das Boot in die Fahrrinne. Offenbar war er auf dem Wasser ebenso zu Hause wie auf festem Boden. „Halt deine Mütze fest!“ rief er, gab dann Gas, und schon pflügte das Boot durch die Fluten. Die Ebbe hatte eingesetzt, sodass sie gegen die starke Strömung anfahren mussten. Das kleine Boot tanzte auf den unruhigen Wellen, der Wind zerrte so heftig an Caras Baseballmütze, dass ihr Rettungsversuch zu spät kam und die Kappe davonflog. Brett erwischte sie ihm letzten Moment und stopfte sie unter die im Heck liegenden Gummistiefel. Das Haar flatterte ihm aus der Stirn. Eine Motorbootfahrt tief an der Wasserlinie – es war etwa so, als brause man mit dem Motorrad dahin. Cara spürte, wie die Gischt ihr salzig und kühl bis ins Gesicht spritzte.
Nur ein Mal hatte sie bisher eine Motorradfahrt erlebt. Eigentlich war’s ein besseres Moped gewesen, sie hatte die Tour aber dennoch genossen. Der Wind in den Haaren, die Arme eng um den Mann geschlungen, in den sie damals verknallt gewesen war, all das hatte sie spannend gefunden, und es hatte die Sehnsucht in ihr geweckt, einmal eine richtig schwere Maschine zu fahren. Und diese Bootstour kam der Sache schon sehr nahe, ein erhebendes, belebendes Gefühl.
Zwei größere Yachten glitten an ihnen vorbei. Ihre Bugwellen stießen das Boot so hin und her, dass sich Cara wieder krampfhaft festhalten musste. Brett winkte nur lässig und schaute unbeirrt geradeaus. Beim Dröhnen des Motors war an Unterhaltung nicht zu denken, und so jagten sie wortlos dahin, wobei das Boot häufig abhob und wieder hart aufsetzte. Entspannt genoss Cara die Aussicht. Silberreiher mit langen Hälsen staksten durch die Untiefen, ein Pelikan schwang sich auf, legte sich elegant in die Kurve und segelte davon. Nach einer Weile tippte Brett Cara auf die Schulter und zeigte auf etwas. Als Cara in die Richtung blickte, stockte ihr der Atem. Nur wenige Meter neben dem Boot schwamm ein Delfin und begleitete sie auf gleicher Höhe. Anscheinend wollte das Tier spielen, denn es tauchte fortwährend auf und schnaubte laut durch das Spritzloch. Nur wenig später entdeckte Cara ein weiteres Exemplar, noch näher am Boot. Am liebsten hätte sie ins Wasser gefasst und die glatte, graue Haut des Tieres berührt, das nur eine Armlänge entfernt dicht unter der Oberfläche dahinschoss. Sie lachte laut auf und sah hinüber zu Brett, der sie breit lächelnd beobachtete.
Nach einiger Zeit steuerte Brett das Boot aus der Fahrrinne hinaus in einen schmalen, kanalartigen Wasserlauf. Das Delfinpaar schwamm geradeaus weiter und verschwand. Brett und Cara folgten nun
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