Nur dieser eine Sommer
nicht von hier fort. Tu, was du nicht lassen kannst.“
„Mama, bitte überleg es dir …“
„Ich bleibe, denn es wird der letzte Sommer meines Lebens sein. Die ganze Zeit schon überlege ich verzweifelt, wie ich es dir schonend beibringen soll, Palmer, aber nun musst du es erfahren: Ich leide an Lungenkrebs im Endstadium.“
Palmer wurde aschfahl im Gesicht.
Lovie nickte nur.
„Nein, zum Teufel! Das gibt’s doch gar nicht! Was soll das heißen – Endstadium?“
„Ich nehme an, das weißt du. Schlicht gesagt bedeutet das, dass es mit mir zu Ende geht.“
„Krebs kann doch jetzt geheilt werden! Liest man doch andauernd in der Zeitung! Menschenskind, Mama, wir in Charleston verfügen über eine der besten Kliniken in ganz Amerika! Wenn denen nichts einfällt, dann versuchen wir’s eben woanders! Ich lasse mir doch nicht einfach von dir weismachen, dass du stirbst, wenn ich nicht wenigstens ’ne Chance hatte, dagegen anzukämpfen!“
„Komm her, Palmer!“ Sie breitete die Arme aus, doch er schüttelte nur zornig den Kopf, stand auf, stellte sich an die Brüstung und starrte ins Leere.
„Ich bedauere, dass ich es dir nicht ersparen kann“, sagte Lovie. „Ich habe sämtliche Ärzte durch, sämtliche Untersuchungen hinter mir. Niemand kann mehr etwas tun, auch du nicht. Alles liegt nun allein in Gottes Hand. Mach mir jetzt bitte keine Szene! Ich ahnte, dass du so ein Theater veranstalten würdest, deshalb habe ich’s dir bislang verschwiegen. Es geht ganz einfach über meine Kraft, mich mit dir in dieser Sache auseinander zu setzen.“
Er wandte sich zu seiner Mutter um und schaute sie mit gequälter Miene an. „Wenn ich alles ergeben hinnehmen würde – was wäre ich dann für ein Sohn?“
„Ein fürsorglicher. Ein Sohn, der seine Mutter liebt und ihre Bitte respektiert.“
Als sie wieder die Arme ausbreitete, sank er vor ihr auf die Knie, barg den Kopf in Lovies Schoß und weinte wie ein Kind. Am Nachmittag desselben Tages saßen Cara und Emmi zusammen auf der Veranda, tranken Tee und naschten Erdbeeren. Emmi war mit einer riesigen Schüssel, in der sich zahllose der roten Früchte befanden, die sie auf dem Markt gekauft hatte, zu Besuch erschienen. Gemeinsam wiegten sich die zwei in ihren Schaukelstühlen, taten sich an den Beeren gütlich und plauderten wie in alten Tagen. Cara erinnerte sich an die Zeit, als sie zehn oder elf gewesen waren und sich auf eben dieser Veranda gelümmelt hatten. Damals war es ihnen so vorgekommen, als zögen sich die heißen Sommertage endlos hin.
„Ich hab demnächst ’n Rendezvous“, bemerkte sie.
Emmis Kopf fuhr hoch. „Und das teilst du mir erst jetzt mit?“
„Ist ja noch ganz frisch!“
„Mit wem?“
„Brett Beauchamps. Kennst du den noch? Das ist der …“
„Ich weiß, wer das ist. Wann hat denn der sich mit dir verabredet?“
„Er leitet diese Öko-Exkursionen, auf die du mich geschickt hast.“
Vor Staunen bekam Emmi den Mund nicht wieder zu. „Na, so was! Wer hätte das gedacht? Brett Beauchamps und Fremdenführer?“ Sie schüttelte den Kopf. „Also, ich hätte gewettet, wenn der überhaupt die vierzig erreicht, dann ist er bis dahin Milliardär oder aber er sitzt im Knast. Brett Beauchamps“, wiederholte sie, wobei ihre Augen funkelten. „Na, das ruft Erinnerungen wach! Hat er denn seinen Öko-Kahn richtig aufgemotzt und ordentlich Bier in der Kühlbox?“
„Du, der ist ganz anders, als wir uns an ihn erinnern“, entgegnete Cara. Irgendwie hatte sie das Bedürfnis, ihn in Schutz zu nehmen. Dabei war sie selbst wohl am meisten überrascht gewesen, dass der beliebte heißblütige Football-Held sich zu einem ziemlich bemerkenswerten Mann gemausert hatte. „Und Fremdenführer ist er nicht. Ihm gehört die Gesellschaft, diese Eco-Tours. Er ist Naturforscher.“
„Na, schau mal einer an“, meinte Emmi verdutzt. „Verdammt schwer vorstellbar! Dabei war er doch immer so ein typischer wilder Temperamentsbolzen! Wie hast du ihn denn erkannt? Sieht er immer noch so blendend aus?“
„Genau genommen habe ich ihn nicht erkannt, sondern umgekehrt.“ Angesichts Emmis schockierter Miene lachte Cara unsicher auf. „Auf der Highschool hatte ich immer das Gefühl, dass der mich überhaupt nicht zur Kenntnis nahm. Wir hingen ja auch mit völlig unterschiedlichen Cliquen herum. Mittlerweile wirkt er erheblich gelassener, ruhiger. Und, ja, blendend sieht er nach wie vor aus, doch irgendwie wirkt er kantig. Attraktiv, aber auf die
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