Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
seinem Leben Antrieb und Richtung gegeben hatten. Seit ihm Caroline genommen worden war, fühlte er sich hilflos und unerträglich einsam.
Er nahm ihr Foto vom Nachttisch, streckte sich auf dem Bett aus und legte sich das Bild auf die Brust. Als sein Kopf das Kissen berührte, glaubte er für einen Moment, den kaum wahrnehmbaren Hauch eines Duftes zu erkennen. Carolines Duft; wie parfümierter Zucker.
Der Schmerz über ihren Verlust fuhr ihm durch den Körper. Er sprach ihren Namen aus, und das Wort »warum«. Dann tat er das, was er jedes Mal tat, wenn er um Caroline trauerte; er dachte an ihren letzten Tag in San Francisco zurück und an den Streit, den sie gehabt hatten, kurz bevor sie starb.
Er dachte an das, was den Streit ausgelöst hatte. Er dachte an Mitch.
Mitch war auf der Herrentoilette des Flughafens gewesen, als Robert eingetreten war, doch er hatte ihn zunächst nicht bemerkt. An einer Seite des Raums hatte sich eine Reihe
Pissoirs befunden, und Robert hatte Kurs auf das erstbeste freie genommen.
Der Mann zu Roberts Linken war alt und gebeugt und trug einen Strickpullover, der den Geruch nach Mottenkugeln verströmte. Der Mann rechts von ihm trug einen dunklen Anzug, und um sein Ohr wand sich eine glänzende, chromfarbene Schlinge. Er befand sich mitten in einem Telefongespräch. Gerade erzählte er jemandem, dass er die Geschworenen von »Minute Eins« an dazu gebracht hätte, ihm aus der Hand zu fressen; seine Klienten wären überglücklich und wollten ihm zum Dank einen Lamborghini schenken.
Der Mann trat eine oder zwei Sekunden vor Robert von dem Pissoir zurück, so dass sie schließlich nicht weit voneinander entfernt an den Handwaschbecken standen. Robert hörte zu, wie der Mann seine Unterhaltung fortsetzte: »Mein Flieger zum JFK startet in ein paar Minuten. Morgen habe ich Termine in den New Yorker Büros. Wie wäre es, wenn ich heute Abend gleich vom Flughafen zu deinem Apartment komme? Prima. Halt es mir warm, Sweet P.«
Den Kosenamen »Sweet P« hatte der Mann in einem trägen, arroganten Tonfall ausgesprochen: Mitchs Tonfall. Auf dieselbe lüsterne Art und Weise, wie er den Namen »Sweet C« immer für Caroline benutzt hatte.
Mitch wandte Robert den Rücken zu. Er hatte die Tür geöffnet und wollte gerade hinaustreten, als Robert ihn im Nacken packte und ihn zurück in die Herrentoilette zog. Mehrere andere Männer auf dem Weg hinaus warfen fragende Blicke in Roberts Richtung.
Mitch hielt seinen Aktenkoffer in einer Hand. Für einen Moment sah er so aus, als wolle er ihn fallen lassen und zu einem Schlag ansetzen. Dann plötzlich erkannte er Robert. Und lachte. »Rob«, sagte er. »Was zum Teufel hast du vor?«
»Ich habe vor, dir die Fresse einzuschlagen.«
Wieder lachte Mitch. Er schüttelte den Kopf, als wäre er gleichzeitig amüsiert und verwirrt über Robert. »Ich hab’ dich - wie lange? - vielleicht 35 Jahre nicht gesehen. Und das Erste, was dir in den Sinn kommt, ist eine Schlägerei? Wo zum Teufel liegt dein Problem?«
»Du hast mit meiner Frau geschlafen. Da liegt mein Problem.«
»Du bist schon eine traurige Gestalt, ist dir das klar, Robby-Boy? Wie alt bist du? … knapp 60? Und immer noch der gleiche ahnungslose Idiot wie damals, als wir noch Jungs waren.«
Robert traf Mitch mit einem Hieb, der ihn gegen die gekachelte Wand prallen ließ. Als Mitch auf Robert losgehen wollte, trat ein Mann vom Sicherheitspersonal zwischen sie. Er legte die Hand demonstrativ auf seinen Gürtel, genau zwischen einen dicken Schlagstock und ein Paar Handschellen. »Was ist hier los, Gentlemen?«
»Nichts«, sagte Robert. »Ist schon vorbei.«
Mitch rückte lässig seine Krawatte zurecht. Robert ging an ihm vorbei nach draußen. In diesem Moment sagte Mitch mit so sanfter und leiser Stimme, dass niemand außer Robert ihn verstehen konnte: »Ich hab’ deine Freundin gebumst, Robby. Aber ich habe nie mit deiner Frau geschlafen.«
»Du bist ein gottverdammter Lügner.« Robert ging hinaus und warf die Tür hinter sich zu. Wäre der Sicherheitsmann nicht aufgetaucht, wäre Robert umgekehrt, um Mitch das selbstzufriedene Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln.
Diese Konfrontation hatte sich vor Monaten abgespielt, doch die Erinnerung daran hatte immer noch die Macht, Robert in Rage zu bringen. Atemlos stand er vom Bett auf. Er litt unter Bluthochdruck und hatte vergessen, seine Medikamente
zu nehmen. Ein heftiger Schmerz begann sich in seinem Kopf breitzumachen. Sein Herz raste;
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