Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
unter Dach und Fach zu bringen. Ich sagte, ich wäre gerade mitten in meiner Abschlussarbeit.«
»Und …?«
»Und ich habe gelogen. Die Arbeit war fertig. Ich habe einfach auf Zeit gespielt und gehofft, er würde wieder in der Lage sein, die Dinge allein zu regeln. Scheiße, Robert. Ich wollte nicht nach Hause kommen und Gefahr laufen, als gottverdammter Versicherungsvertreter zu enden. Auch wenn ich es ihm nicht sagen wollte, hab’ ich für mich selbst einen Entschluss gefasst:Wenn er bis zumVatertag keine Lösung gefunden hätte, würde ich die Kröte schlucken und nach Hause kommen.«
»Vatertag.« Robert schaute zu Caroline hinüber; dann senkte er die Stimme und sagte: »Genau da hat er mich gefragt. Genau an dem Morgen. Als ich angerufen hab’, um ihm einen schönen Vatertag zu wünschen.«
»Ich weiß. Ich rief abends an, um ihm zu sagen, dass ich kommen würde. Er sagte, er hätte morgens mit dir gesprochen und dass du zurückkommen würdest, um ihm zu helfen. Also hab’ ich meinen Mund gehalten. Als ich auflegte, hatte ich das Gefühl, ich wäre der Todeszelle entronnen.«
Es dauerte eine Weile, ehe Robert in der Lage war, zu antworten: »Woher wusstest du, dass ich am Ende ja sagen würde?«
»Weil ich dich kannte. Ich wusste, dass du niemals die Flucht ergreifen würdest, wenn dich jemand braucht.«
Am anderen Ende der Veranda war ein leises Rascheln zu hören, dann das Schließen der Vordertür. Die Worte seines
Bruders hatten ihn verletzt wie Hiebe mit einer frisch geschärften Axt. Doch Caroline war ins Haus gegangen. Sie hatte ihn allein gelassen.
Alles, was er in diesem Zwielicht von ihr hatte erkennen können, war ein anmutiger Schatten.
Auch jetzt, im harten Neonlicht des Wartezimmers, konnte er Caroline kaum erkennen, als sie durch den Krankenhausflur auf ihn zukam. Ihre feinen Gesichtszüge sahen aus, als wären sie mit Kerzenwachs überzogen: verschwommen und geisterhaft blass. Sie wirkte gebrochen. Ihre Augen verrieten derart starke Anspannung und Angst, dass Robert sich vor dem fürchtete, was sie ihm zu sagen hatte.
»Caroline, was ist passiert?« Er konnte nur flüstern. »Was machen sie mit Justin?«
»Sie führen immer noch Tests durch«, sagte sie. Dann lehnte sie sich an ihn und sackte in seinen Armen zusammen. Sie zitterte wie ein Blatt im Sturm und sagte: »Lass ihn nicht sterben. O bitte, Gott. Lass ihn nicht sterben.«
Robert spürte brennende Schuldgefühle. Er glaubte, dass er Justin, wäre er nur aufmerksamer gewesen, vielleicht in die Küche hätte gehen sehen, sodass diese schreckliche Nacht ihnen erspart geblieben wäre.
»Es wird alles gut. Er wird wieder gesund«, sagte er zu Caroline und drückte sie an sich. »Und wenn das hier vorbei ist, wird alles besser. Das verspreche ich.«
In ihren Haaren hingen immer noch die Gerüche des Kochens und Backens für seinen Geburtstag. Sie lenkten Roberts Gedanken wieder zurück zu jenem Thanksgiving. Zum nächsten Morgen. Nachdem er den ersten Schlag hatte einstecken müssen. Als die Gewalt begonnen hatte.
Es war früh gewesen, und im Haus war es kalt. In der Luft
hingen noch leichte Spuren des Feiertagsessens - der Geruch von gebratenem Truthahn und hausgemachter Kürbispastete.
Robert sah, dass Caroline das Frühstück zubereitet hatte. Als er seinen Kaffeebecher auf den Küchentisch stellte, bemerkte er ein offenes Glas mit Blutdrucktabletten. Er schloss den Deckel und knallte das Glas auf den Tisch.
»Ich habe eine halbe Stunde nach diesem gottverdammten Ding gesucht«, meldete sich Roberts Vater zu Wort, der mit der Morgenzeitung in der Hand mit schnellen Schritten die Küche betrat. »Warum benutzt Caroline nicht ihren Kopf? Deine Mutter hat die Zeitung immer ans untere Ende der Treppe gelegt, wo man sie auch sehen kann.«
»Na und? Es ist ja nicht dein Haus. Oder deine Zeitung.« Aus jedem Wort, das Robert sprach, klang Feindseligkeit heraus. »Du hast mir das Haus vor langer Zeit überschrieben, erinnerst du dich?«
SeinVater griff nach den Blutdrucktabletten und kämpfte mit dem Verschluss des Glases. »Gottverdammt. Ich hatte einen Grund, es offen zu lassen, Robert. Warum konntest du nicht die Finger davon lassen?«
»Lass deine verdammten Pillen nicht da liegen, wo meine Kinder an sie drankönnen.« Robert schnappte seinem Vater das Glas aus der Hand.
»Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden, Junge?« Die Stimme seines Vaters war zu einem dröhnenden Brüllen geworden. Einmal, Robert war noch
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