Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
trägen Schleier des süßen Rauschs, fühlte sich gelöst und war - zumindest für den Augenblick - zufrieden in Gesellschaft seines Bruders. »Wie läuft es in Hawaii?«, fragte er.
»Gut«, erwiderte Tom. »Die Uni bezahlt mich dafür, über genau die großartigen Bücher zu reden, die ich auch lesen würde, wenn ich nicht dafür bezahlt würde. Die Studentinnen in den höheren Semestern beten mich an. Ich komme regelmäßig zum Bumsen und kann von der Hintertür meines Apartments aus den Pazifik sehen.«
»Das klingt, als hättest du eine Menge, für das du dankbar sein kannst.«
»Nicht mehr als du. Du hast ein großes Haus. Eine schöne Frau. Tolle Kinder. Die Versicherungsagentur des Jahres im guten alten Sierra Madre. Du bist genau der Sohn geworden, den Dad sich immer gewünscht hat, Mann.«
»Ja«, sagte Robert. »Und Happy Thanksgiving uns allen!« Ein kurzes, quietschendes Geräusch war zu hören, als hätte Caroline sich auf der Schaukel ein klein wenig bewegt. Sofort fühlte Robert sich unbehaglich. Er fragte sich, ob sie wach war, und fürchtete, sie könnte den sarkastischen Unterton in seiner Stimme bemerkt haben.
Tom hielt den Joint hoch, als wolle er Robert damit zuprosten. »Auf die Fisher-Jungs, und auf das, was aus ihnen geworden ist!«
Er kicherte. »Mann, wer hätte damals gedacht, dass du und ich jemals hier draußen Gras rauchen würden, während Mom und der alte Herr oben sitzen, und dass es uns scheißegal ist, ob sie runterkommen.«
Robert lachte. »Oh, es wäre uns nicht scheißegal. Im Bruchteil einer Sekunde wären wir wieder 13. Denn wir sind high, es ist fast dunkel, und der alte Herr stünde in der Tür und wäre von hinten aus dem Haus beleuchtet. Er sähe aus wie ein grobschlächtiger Linebacker, der bloß darauf wartet, uns fertigzumachen.«
»Hat er dich jemals fertiggemacht, Rob?«
»Nee. Allerdings hat er oft davon gesprochen.«
»Auf mir hat er rumgeprügelt wie auf einem Sandsack.« Robert konnte nur Toms Stimme hören; sein Gesicht wurde von der zunehmenden Dunkelheit verschluckt.
»Ich kann mich nicht erinnern, dass er dich jemals geschlagen hat«, erklärte Robert.
»Nicht diese Art Prügel. Sondern dieses ›Aus-dir-sollein-echter-Mann-werden‹. Bei jedem Footballtraining, bei jedem Spiel war er dabei und stand auf der anderen Seite des Maschendrahtzauns. Stundenlang. Und später hat er mir dann erklärt, wie ich mich hier mehr reinhängen und dort etwas überlegter rangehen müsste. Du weißt ja, wie es war, jeden Abend beim Essen.«
»Er konnte nicht anders«, sagte Robert. »Sport und Versicherungen. Das war alles, was er hatte. Das war alles, von dem er etwas verstand.«
»Also hab ich den Sport bekommen, und du bist bei den Versicherungen gelandet.« Tom hielt einen Moment inne,
ehe er feststellte: »Und so wurde das mickrige Erbe des Vaters an seine Söhne weitergereicht.«
Tom nahm einen Zug und sackte zurück in seinen Stuhl. »Hat er dir jemals gesagt, dass er dich liebt?«
»Nein.«
»Mir auch nicht.«
»Aber er hat es getan. Er hat dich geliebt.«
»Ich weiß.« Toms Stimme klang unbehaglich. »Er hat mich ziemlich geliebt.«
Nach einer weiteren Pause fragte er: »Wie high bist du, Rob?«
»High genug.«
Tom machte ein paar Schritte über die Veranda und lehnte sich gegen das Geländer. »Beinahe hätte ich beide Teile des Erbes bekommen«, stellte er fest.
»Wovon redest du?« Robert blickte in Richtung der Schaukel. Er konnte Caroline nicht mehr erkennen. Sie war vollkommen von Schatten umhüllt. Er fragte sich wieder, ob sie wach war; ob sie dabei war, etwas über ihn herauszufinden, von dem er nicht wollte, dass sie es erführe.
»Ich rede über die beiden Erbteile des alten Mannes«, sagte Tom. »Beinahe hätte ich alle beide bekommen. Als er den Herzinfarkt hatte. Erinnerst du dich? Es war ungefähr zwei Wochen vor Muttertag. Und als ich am Muttertag anrief, um mit Mom zu sprechen, hat er mir erklärt, es würde eine Weile dauern, bis er wieder in der Lage wäre, zu arbeiten. Er sagte, er hätte nicht genügend Ersparnisse und müsste die Agentur am Laufen halten. Deshalb bat er mich, aus Hawaii zurückzukommen und seinen Platz einzunehmen.«
Tom hatte den schläfrigen Kokon von Roberts Rausch zerstört. Mit einem Mal saß Robert kerzengerade in seinem
Korbstuhl. »Und du hast nein gesagt? Du hast ihm gesagt, du würdest nicht kommen?«
»Ich sagte, ich würde eine Weile brauchen um … du weißt schon, um an der Uni alles
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