Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
Nachbarn versuchten verzweifelt, die eingeschlossene Familie zu retten; östlich von Los Angeles war eine mit ihrem ersten Kind schwangere Frau in einer flutartigen Überschwemmung zu Tode gekommen; im Norden war ein vierjähriger Junge im sprudelnden Wasser eines vom Regen angeschwollenen Flusses ertrunken, während ein Rettungshelikopter hilflos über ihm kreiste.
Irgendwann im Verlauf dieser Nachrichten spürte Justin, wie Amy neben ihm aufs Sofa glitt und sich an ihn schmiegte. Sie trug einen Bademantel aus Satin, und ihre Haare waren hochgesteckt und feucht. Er roch das duftende Badeöl auf ihrer Haut. Unter normalen Umständen hätte sich Justin der Stelle zugewandt, an dem sich der Morgenmantel über ihren Brüsten schloss, und hätte diese Stelle geküsst; dann hätte er den Morgenmantel sanft geöffnet. Sie hätten sich mit geruhsamer Eleganz geliebt, wären dann in die Küche gewandert und hätten getan, was sie oft nach sonntagabendlichem Sex taten - sie hätten sich mit etwas Süßem und Leckerem verwöhnt. Jetzt im Winter hätten sie sich warmen Cidre gegönnt. Im Sommer wäre es eine kalte, schaumige Eiercreme nach einem Rezept gewesen, das Amy vor langer Zeit vom Besitzer eines New Yorker Delikatessengeschäfts bekommen hatte.
Aber dies waren keine normalen Umstände. Städte wurden von Bergen zermalmt. Kinder ertranken in Flüssen. Und Justin wurde vom Bild einer rothaarigen Frau mit blasser Haut und hängenden Schultern verfolgt.
Er sah zu, wie Amy sich die Fernbedienung nahm und den Ton abstellte, so dass nur noch das Bild zu sehen war. »Das war Daddy, am Telefon«, sagte sie. »Er will wissen, ob er auch für Rosa einen Flug nach Hawaii buchen soll, damit sie uns mit Zack helfen kann.«
Sie wartete darauf, dass Justin auf ihre Worte reagierte.Als die Reaktion ausblieb, fuhr sie fort: »Ich denke, wir brauchen eigentlich kein Kindermädchen. Ich meine, Daddy hat diese unglaubliche Villa gemietet, also wird Zack nicht gerade in einem Hotelzimmer eingesperrt sein. Er kann das ganze Haus erkunden. Und du weißt ja, wie gern meine Mutter Zeit mit ihm verbringt. Ich bin sicher, dass sie ohnehin auf
ihn aufpassen will, wenn du und ich etwas allein unternehmen, also …«
Justin unterbrach sie mitten im Satz, mit einem zynischen Lachen. »Wann hätten wir auf einem dieser Gewaltmärsche deines Vaters denn jemals Zeit für uns gehabt?«
»Eine Villa in Maui ist nun wirklich kein Gewaltmarsch, Justin.«
»Hör zu. Ich will mich deswegen nicht mit dir streiten. Ich habe dir schon gesagt, dass ich im Augenblick ziemlich viel am Hals habe. Das ist für mich nicht der richtige Zeitpunkt für eine Reise.«
»Wie kann man zu einer Gratiswoche Hawaii denn nicht imstande sein?«
Justin nahm Amy die Fernbedienung aus der Hand und zappte ziellos durch die Kanäle. »Mir geht ziemlich viel durch den Kopf. Belassen wir es einfach dabei.«
Amy ging zum Fernseher, schaltete ihn aus und stellte sich genau in Justins Blickfeld. »Wir reden hier über den Geburtstag meines Vaters. Hast du eine Vorstellung davon, wie enttäuscht er sein wird, wenn wir nicht hinfliegen?«
Jedes einzelne von Justins Worten triefte vor Sarkasmus: »Weißt du, was dein Vater tun sollte, um sich an all diese Zwangsveranstaltungen zu erinnern … die Geburtstagstouren, die Floßtouren, die Lasst-uns-ohne-besonderen-Grund-nach-Europa-fliegen-Touren? Er sollte T-Shirts drucken lassen. Und überall könnte dasselbe draufstehen: ›Eine weitere Don-Heitmann-Strafexpedition‹.« Er stand auf und trat aus dem Dämmerlicht des Wohnzimmers in die hell erleuchtete Küche.
Dann öffnete er die Kühlschranktür und nahm eine Flasche Mineralwasser heraus. Mit einer ärgerlichen Bewegung drehte er den Deckel auf und ließ ihn zu Boden fallen.
Amy trat bereits durch die Tür, offensichtlich kampfbereit. »Du willst mir erzählen, dass es eine Strafe ist, sich in den puren Luxus fallen zu lassen, Justin? Warum benimmst du dich rund um diese Einladung wie ein Scheißkerl?«
Amy und Justin hatten sich schon eine Woche lang über diese Reise gestritten, und er wusste, dass er explodieren würde, wenn sie ihm damit weiter zusetzte. Er gab sich große Mühe, ruhig zu bleiben. »Amy, hat dein Vater dich gefragt, ob es dir passt, nächste Woche ins verdammte Maui zu fliegen? Hat er mich gefragt? Nein. Und warum? Weil es keine Einladung ist. Es ist eine Forderung.Wir sind dazu verdonnert, in seiner Villa zu sitzen, seine Mahlzeiten zu essen, Orte zu
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