Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
und dann die Auferstehung.
Durch die ganze Geschichte hindurch war es immer dasselbe. Das Mittelalter und die Renaissance. Hitler und der Holocaust und schließlich der D-Day. Der Kommunismus, und schließlich der Fall der Berliner Mauer. Die Rassentrennung, dann Martin Luther King und schließlich der erste schwarze Außenminister. Das Böse ist immer vorhanden, doch am Ende setzt es sich nie wirklich durch. Zeitweise gewinnt es die Oberhand, aber irgendwann wird es immer durch etwas Gutes besiegt.« Amy hielt inne und blickte Justin an. »Davon wollte ich dir erzählen. Ich dachte, es hilft dir vielleicht.«
Justin beobachtete die flackernden Schatten, die das Kaminfeuer an die Decke warf. »Amy. Vor dem Regenbogen hat die Sintflut alles vernichtet, und es sitzen immer noch weit mehr Schwarze im Knast als im Weißen Haus.«
»Soll ich dir etwas sagen?« Amy stand vom Sofa auf und schlug ärgerlich auf den Lichtschalter, so dass der Raum von hellem Licht durchflutet wurde. »Du bist weder ein Schwarzer noch sitzt du im Knast. Und du wurdest auch nicht von einer Sintflut vernichtet. Du bist ein Kerl mit einem großartigen Leben und ein paar seltsamen Erinnerungen, und es gibt absolut keinen Grund, warum wir nicht nach Hawaii fliegen und meinem Vater eine Freude machen sollten. Was hast du denn davon, wenn du hier herumsitzt und dich quälst? Ich sag’ dir was, Justin: Du suhlst dich darin, und langsam nervt es. Ich hab’ die Nase voll davon.«
In Justins Ohren klang Amys Standpunkt bockig und verwöhnt; als weigerte sie sich, für das, was er durchmachte, Mitgefühl zu zeigen. Er fühlte sich verletzt, und diese Verletzung entlud sich in Ärger. »Nun, dann mache ich dir einen Vorschlag«, begann er. »Wenn du wieder einmal unter der Dusche stehst und dich für ein paar tiefsinnige Gedanken
bereit machst, solltest du vielleicht eine Google-Suche starten … gib mal ›Daddys egozentrisches kleines Mädchen‹ ein. Du wirst staunen.«
Justin griff nach der Fernbedienung. Um den Fernseher lauter zu stellen. Um den Lärm und das brodelnde Chaos zu übertönen - das Stampfen Amys, die die Treppe hinaufstürmte, den auf das Dach prasselnden Regen und die Kinderstimme, die endlos wiederholte: »Kenn ich meinen Namen …? Aber ja, aber ja. Mein Name, der ist Justin. Und auch Fisher, ist doch klar …«
Die Stürme waren vorüber. Es regnete nicht mehr. Südkalifornien war wieder Südkalifornien. Unter Regenmänteln und Schirmen waren hübsche Frauen in Shorts und Joggingoutfit hervorgekommen, um die Parade auf dem Santa Monica Pier wieder aufzunehmen. Gleich unter ihnen stiegen Justin und Ari eine Betontreppe hinab, die von der Uferpromenade direkt in den Sand führte.
Ari war tief gebräunt und trug eine weite Hose und ein Golfhemd. »Die Bermudas waren fantastisch«, sagte er. »L. A. allerdings weniger.Als wir letzte Nacht zurückkamen, stand der Schlamm in unserem gesamten Untergeschoss. Meine Frau wird mit dem Baby zu meiner Mutter fahren. Und bei dir? Alles heil geblieben?«
»Ja«, erwiderte Justin. »Mehr oder weniger.«
Ari warf ihm einen Blick zu. »Gut. Das war jetzt genug Smalltalk. Erzähl mir, was los war.«
Justin folgte Ari in Richtung eines abgesperrten Rettungsschwimmer-Turms. Sie ließen sich an seinem Sockel nieder und schauten beide hinaus auf den Ozean. »Beim letzten Mal«, begann Ari, »hattest du die rothaarige Frau gesehen. In
deinem Hotel. Und du hattest das Gefühl, sie könnte T. J.s Mutter sein oder zumindest für T. J.s Mutter stehen.«
Ari wartete. Es war offensichtlich, dass er Justins Reaktion beobachten wollte. »Du hast mir gesagt, dass es dich ziemlich durcheinandergebracht hat, weil du zwar seine Mutter erkennen konntest, aber keine Ahnung hattest, wer T. J. war.«
»Das stimmt nicht ganz«, erwiderte Justin.
»Bei welchem Aspekt liege ich falsch?«, fragte Ari.
»Eigentlich bei keinem. Genau so habe ich es dir erzählt. Aber ich glaube, es stimmt nicht, dass ich nicht weiß, wer T. J. ist.« Justin fühlte sich von einer Kälte umschlossen, die nichts mit der Temperatur am Strand zu tun haben konnte. Sie ging von einem Ort in seinem Inneren aus. Einem leeren und verlassenen Ort.
»Sag mir, was du glaubst«, sagte Ari. »Warum ist es nicht wahr, dass du nicht weißt, wer T. J. ist?«
»Weil es sich, als ich die Frau im Hotel sah, nicht so anfühlte wie bei jemandem, den man auf größere Entfernung kennt. Ich meine, wie ich mich zum Beispiel an einen Freund oder einen
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