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Nur ein Augenblick des Gluecks Roman

Titel: Nur ein Augenblick des Gluecks Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dianne Dixon
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Grab in seinem Kopf verließ Robert die Küche.
    Während er die Treppe hochstieg und das Schlafzimmer betrat, war ihm bewusst, dass die einzige Chance, die ihm blieb - seine einzig möglich Buße -, darin bestand, einen Weg zu finden, um Caroline zu retten; und sie immer wieder, ihr ganzes Leben lang, zu retten.
    Er sah, dass sie noch ihren Mantel trug; einer der Ärmel war nass, so vollgesogen mit Wasser, dass es heruntertropfte. Sie kauerte auf dem Fußboden vor dem Schrank und klammerte sich an ein Spielzeug, ein weißes Kaninchen mit Chenilleüberzug.
    Langsam wandte sie sich in Roberts Richtung und öffnete den Mund, bereit, ihn anzuschreien. Doch er kam ihr zuvor und sagte: »Ich habe dich belogen. Justin ist nicht in Nevada gestorben. Ich war überhaupt nicht in Nevada.«
    Caroline taumelte zurück, als hätte er sie geschlagen.Wieder öffnete sie den Mund. Doch diesmal drang kein Schrei heraus; er hörte nur, wie sie nach Luft schnappte; wie sie versuchte, eine Frage zu stellen, die sie nicht einmal formulieren konnte.
    Robert kniete sich vor sie hin; gequält von Schuldgefühlen
und Angst. Die Stimme, die aus seinem Mund kam, klang so gebrochen, dass er sie kaum als seine eigene erkannte.
    Er begann, indem er Caroline erklärte, dass Justins Asche nicht in der Urne gewesen war, die sie auf dem Friedhof begraben hatten. Dann enthüllte er ihr die Wahrheit über die Asche - und über die Urne.
    Caroline fixierte ihn, ohne die Augen ein einziges Mal zu bewegen.
    Während Robert seine Geschichte erzählte, kam ihm die Abscheulichkeit dessen zu Bewusstsein, was er getan hatte. Es fühlte sich an, als würde er über seine Handlungen nicht einfach berichten, sondern sie noch einmal neu durchleben.
    Indem er die Worte aussprach, wurde er in den Moment zurückversetzt, als ein hochgewachsener Mann in einem schwarzen Anzug dabei war, einen doppeltürigen Mahagonischrank zu öffnen. Robert drängte sich an ihm vorbei und griff nach einem von mehreren einfachen Zylindern aus Zinn auf dem obersten Schrankbord. Sofort stoppte ihn der Mann. »Diese Urnen enthalten Überreste, auf die niemand Anspruch erhebt, Sir. Die Urnen, die wir verkaufen, stehen hier, in den unteren Fächern.«
    »Dann diese hier.« Robert zeigte auf eine kleine, bronzefarbene Urne.
    »Sind Sie sicher, dass ich nicht die Überführung für Sie übernehmen soll, Sir?«
    »Nein, darum kümmere ich mich selbst. Ich möchte meiner Frau die Asche meines Sohnes in etwas Hübscherem als dem Pappkarton bringen, den ich in dem anderen Beerdigungsinstitut bekommen habe, wo er verbrannt wurde.Aber leider habe ich erst vor wenigen Minuten daran gedacht, als ich schon auf dem Weg zum Flughafen war. Ich weiß auch nicht, warum.«

    »Die Menschen denken nicht klar, wenn sie trauern.« Der Mann schnitt das Preisschild von der Urne ab. »Es muss schlimm sein, wenn man so weit von zu Hause weg ist und das eigene Kind hier oben stirbt, so wie Sie es erzählt haben … von einer Sekunde auf die andere, bei einem Schlittenunfall. Sie haben gesagt, Ihr Sohn ist hier gestorben, aber Sie stammen aus Kalifornien?«
    »Ja, ich …, äh …, ich bin mit ihm hergekommen, weil ich hier Verwandte habe.« Robert spürte einen Anflug von Angst. Er fürchtete, sich in Widersprüche zu den Lügen zu verstricken, die er bereits erzählt hatte. »Es ist eine lange Geschichte, und ich muss wirklich los.«
    Robert warf mehrere Scheine auf den Tisch; insgesamt war es viel mehr Geld, als sein Einkauf kostete. Er schnappte sich die Urne und lief zur Tür.
    Draußen hing der graue Himmel tief und wirkte wie ein gewölbtes Stück Walzstahl. Frostige Winterluft drang durch die Schichten seiner Kleidung und ließ ihn bis ins Mark erzittern. Sein Mantel, der einzige, den er mitgenommen hatte, war für einen Februar in Kalifornien gemacht; er aber befand sich am anderen Ende des Kontinents.
    Robert versuchte, nicht an das Schreckliche zu denken, das er Justin an diesem kalten, fremden Ort angetan hatte. Er konzentrierte sich auf etwas anderes, auf eine Anzeige, die er früher am Tag aus einem Telefonbuch gerissen hatte und die für Gästezimmer direkt an der Hauptstraße warb.
    Eine Stunde später unterschrieb er im Register eines Motels. Die Frau hinter dem Tresen musterte den Mietwagen in der staubigen Auffahrt gleich hinter der Tür. »Sagen Sie mal … Sie verstecken nicht zufällig eine Leiche in Ihrem Wagen da draußen?«
    Robert riss den Kopf hoch. Sie hatte ihn aus dem Konzept
gebracht.

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