Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
war - von einer Schlange gebissen und übel zugerichtet -, war der einzige Trost, den Robert ihr bieten konnte.
Eine ganze Weile blieb Caroline auf dem Fußboden neben dem Schrank sitzen. Sie sagte nichts und strich mit den Fingern über den feuchten Ärmel ihres Mantels. Als er die Spannung nicht mehr ertragen konnte, streckte Robert die Hände aus und versuchte, sie zu umarmen. Sie schob ihn weg und mühevoll gelang es ihr, sich aufzurichten.
Ganz offensichtlich stand sie unter Schock und war nicht mehr in der Lage, rational zu denken. Sie ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um und fragte: »Als du das getan hast, ist ihm da klar geworden, was mit ihm passierte?« Es waren die ersten Worte, die sie sprach, seit Robert ohne Justin nach Hause gekommen war. »Hat er geweint?«
»Ja, er hat geweint«, antwortete Robert mit leiser Stimme. Mit so leiser Stimme, dass er zuerst glaubte, Caroline hätte ihn nicht gehört.
Schließlich erwiderte sie: »Und du? Hast du geweint?«
»Ich habe nachher geweint«, erwiderte Robert. Er wollte sie in die Arme nehmen.Wollte ihr sagen, dass er das, was er
getan hatte, aus Liebe zu ihr getan hatte; weil er wollte, dass sie ausschließlich zu ihm gehörte; weil er ohne sie weder ein Zuhause noch seine Töchter haben würde. Und ohne diese Dinge wäre sein Leben orientierungslos.
»Um diese Jahreszeit ist es kalt im Osten«, sagte Caroline. »Justin ist alleine. In der Kälte. Er hat es immer gehasst, zu frieren. Du hättest seine Winnie-the-Pooh-Decke mitnehmen sollen.« Sie wandte sich zu Robert um, wie betäubt und schwankend.
»Du Scheißkerl«, schrie sie. »Du hast seine Decke nicht mitgenommen!«
»Das hätte nichts geändert.« Bei diesen Worten streckte Robert abermals die Arme nach ihr aus. »Die Decke hätte nichts geändert. Er hat es jetzt gut. Das verspreche ich dir.«
Bei diesem Versprechen hatten Tränen in Roberts Augen gestanden; Tränen, die sich heiß und brackig und verunreinigt anfühlten.
Und von diesem Moment an - in den drei Monaten, die seit Justins Beerdigung vergangen waren - hatte Caroline Robert gemieden.
Sie hatte ihm einen Teil ihrer Seele ganz bewusst vorenthalten. Auf eine grundlegende Weise hatte sie sich von ihm entfernt.
Auf andere Weise allerdings, eine Weise, die Robert außerordentlich beruhigte, hatte sie ihn überhaupt nicht verlassen. Sie war bei ihm geblieben, schweigend und regungslos. In der Lima Street.
Robert stellte den Eimer mit Asche zur Seite. Er schaute durchs Wohnzimmerfenster und sah Caroline auf der Veranda. Sie musste gespürt haben, dass er sie beobachtete. Kurz schaute sie in seine Richtung, ehe sie den Stuhl so weit verrückte, dass er nicht mehr in seinem Blickfeld stand.
Er konzentrierte sich wieder auf den Kamin. Er hatte jede Spur von Asche und Ruß abgeschrubbt. Jeden Flecken.
Er griff nach einer neuen und makellosen Kupfervase voller Narzissen und stellte sie auf die kahle, saubere Feuerstelle - mitten in einen strahlenden Flecken Sonnenlicht.
JUSTIN & AMY
Santa Monica, April 2006
E r war früh nach Hause gekommen. Amy war aufgeregt. Doch als sie die Arme um ihn legte, spürte sie die eigentümliche Ambivalenz, die sich während der Zeit ihrer Trennung in Justins Herzen eingenistet hatte.
Jedes Mal, wenn sie sich berührten, spürte sie, wie er sich gleichzeitig nach ihr sehnte und sich gegen sie abschirmte, als hätte ihre Abtrünnigkeit seiner Seele eine tiefe Wunde zugefügt, die immer noch hochempfindlich war.
»Ich muss dir etwas sagen«, erklärte er. In seinen Augen lag ein beunruhigender Ausdruck, so als sähe er einen dunklen Gegenstand, der gerade erst ans Licht gekommen war und sich dort offenkundig unwohl fühlte. Es war so verstörend und so intensiv, dass Amy es kaum im Zimmer aushielt.
Sie ging hinaus auf die Terrasse und zündete die Holzscheite im Kamin an. Dann nahm sie auf einer der Liegen Platz, wappnete sich innerlich und wartete, dass Justin herauskäme.
Sie stellte sich auf die Nachricht ein, dass ihre Zeit in Hawaii ihn auf nicht wiedergutzumachende Weise verletzt hatte und dass er sie nicht mehr wollte. Schon der Gedanke war schrecklich. Und gleichzeitig weckte er eine tiefe Wut in ihr. Sie hatte etwas sehr Wertvolles aufgegeben, um zurück zu Justin zu kommen, und musste sich jetzt darauf vorbereiten,
dass er erklärte, er würde sie nicht mehr lieben, weil sie ihre Entscheidung nicht schnell genug getroffen hatte.
Sie wollte ihn nicht ansehen, wenn er es ihr sagte.
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