Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
Rasierzeug und die kleine, mit Asche gefüllte Urne -, kam er ihm unglaublich schwer vor.
Ehe er die Kraft aufbrachte, nach der Türklinke zu greifen, wurde die Tür aufgerissen, und ein Lichtstrahl fiel heraus auf die Veranda. Seine Mutter stand vor ihm. Sie erwartete ihn. Sie und sein Vater waren die ganze Nacht gefahren, um ihnen ihren Trost spenden zu können.
Es gelang ihr, ihn beinahe gleichzeitig zu umarmen und zu beschimpfen; sie schluchzte und schrie im nächsten Moment: »Deinetwegen habe ich meinen Enkel verloren! Ich verlange eine Erklärung!«
Robert musste sich an ihr vorbei ins Haus drängen. »Ich habe es doch schon erklärt«, sagte er. »Es war ein Unfall. Justin
wurde von einer Schlange gebissen, und ich konnte ihn nicht rechtzeitig zu einem Arzt bringen.«
Nach diesen Worten zog er sich eilig von ihr zurück und trat in die Küche.
Als seine Mutter ihm wenige Augenblicke später folgte, fiel ihr Blick sofort auf die Scotchflasche in seiner Hand. Er spannte sich an und wartete auf eine giftige Bemerkung, doch sie war offensichtlich mit etwas anderem beschäftigt. Sie lief in kleinen Kreisen durch die Küche und sagte: »Du trägst eine Hose und ein Sakko.«
Ihre Beobachtung beunruhigte ihn. Einen panischen Moment lang war er überzeugt, dass er sich verraten hatte und dass sie längst wusste, dass es keinen Campingausflug gegeben hatte.
»Du hast dich feingemacht«, beharrte sie. »Als wärst du zu einem Geschäftstermin gefahren.«
Roberts Griff um die Flasche wurde fester; er spürte, wie der Metalldeckel sich in seine Handfläche drückte. »Ich habe mir die Sachen ausgeliehen«, erklärte er. »Ich musste mich um das Bestattungsinstitut kümmern. Um die Einäscherung. Dabei wollte ich keine Campingkleidung tragen.«
Seine Mutter wirkte völlig verdutzt. »Einäscherung! Welche Einäscherung?«
»Justins«, erwiderte Robert. »Das Gift der Schlange … es war wirklich hochgiftig. Er war schrecklich entstellt. Ich wollte nicht, dass Caroline ihn so sieht.«
Seine Mutter sank in einen der Holzstühle am Küchentisch. »Oh, Gott«, flüsterte sie.
Sie sah fix und fertig aus. Und alt. Ihr Anblick war niederschmetternd. Robert setzte sich vor ihr auf den Boden, ließ seinen Kopf in ihren Schoß sinken und begann zu weinen. Seine Mutter unternahm nichts, um ihn zu trösten. Sie
erhob sich vom Stuhl und ließ ihn dort zusammengesackt zurück wie einen verschmähten Sünder an einem behelfsmäßigen Altar.
»Ich will eine Beerdigung«, sagte sie. »Ich will, dass er begraben wird.«
Robert blieb auf dem Boden sitzen, die Hände vors Gesicht geschlagen. »Ich habe dir doch gesagt, dass er eingeäschert wurde.«
Mit eiserner Entschlossenheit entgegnete sie: »Das ist mir egal. Ich will, dass mein Enkel einen Platz auf dieser Erde hat. Du kannst diesen kleinen Jungen nicht einfach ausradieren, Robert. Das werde ich nicht zulassen.«
Stille breitete sich aus. Dann hörte man das Geräusch von splitterndem Glas. Dann wieder Stille.Vor demVerlassen der Küche hatte seine Mutter die Scotchflasche im Spülbecken zertrümmert.
Innerhalb weniger Stunden hatte Robert daraufhin eiligst die Vorbereitungen für ein Begräbnis getroffen.
Robert Bryant, der örtliche Bestattungsunternehmer, betrachtete ihn als einen Freund; seit Jahren hatte Robert sich um die Versicherungspolicen für die Leichenhalle gekümmert. Fred dachte einzig und allein daran, die Angelegenheit für Robert und Caroline unter den gegebenen Umständen so problemlos wie möglich zu regeln.
Die Geschichte von Justins sofortiger Einäscherung nach dem Tod durch einen Schlangenbiss wurde zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Die bronzene Urne, die Robert mit nach Hause gebracht hatte, um diese Geschichte zu stützen, wurde nie geöffnet. Sie war aus Roberts Händen in Freds übergegangen und dann in einem silbernen Kindersarg verschwunden, der schnell versiegelt und mit einem Strauß roter Nelken bedeckt wurde. Außer Robert hatte
niemand gewusst, dass die Zeremonie nur dazu diente, die Schmerzen der trauernden Mutter und Großmutter zu lindern: eine leere Geste für einen kleinen Jungen, der bereits auf weniger feierliche und viel kältere Art entsorgt worden war.
Niemand hatte gewusst, was Robert wirklich mit Justin getan hatte.
Aber jetzt wusste Caroline Bescheid. Robert war gerade damit fertig geworden, ihr die Einzelheiten seines Verbrechens zu schildern. Das Wissen, dass ihr kleiner Sohn nicht in der Wüste gestorben
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