Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
vorsichtig vom Gesicht des Kindes weg. Seine Haut war cremeweiß, und sein Haar hatte die Farbe von Schokolade. Sie stieß ein schnelles, leises Keuchen aus - als sähe sie ein erlesenes Kunstwerk. Er regte sich. Für einen Moment öffnete er die Augen. Sie waren grün, mit dunklen und außergewöhnlich langen Wimpern. Schläfrig schloss er wieder die Augen. Eine Träne, die sich in seinen Wimpern verfangen haben musste, löste sich, und Margaret wischte sie sanft von seiner Wange. »Im Auto hat er
ein wenig geweint«, erklärte sie. »Es ist schwer, in eine völlig neue Welt zu kommen.«
Margaret ging zu einem Stuhl am Kamin und ließ sich vorsichtig nieder, ohne das schlafende Kind aus den Augen zu lassen. Kati folgte ihr und setzte sich neben sie auf den Fußboden. »Wie willst du ihn nennen?«, fragte Kati.
»Er heißt Thomas Justin. Ich werde ihn T. J. nennen.«
Kati beugte sich zu dem Kind und sagte: »Hallo, T. J. Ich bin Kati. Ich werde auf dich aufpassen, wenn deine Mama bei der Arbeit ist. Und ich werde sehr gut auf dich aufpassen.« Sie schaute zu Margaret hoch. »Oh, Maggie, ich kann es kaum erwarten, ihn auf den Arm zu nehmen.«
»Vielleicht später.Vielleicht in einer Weile.« Margaret lächelte ängstlich. »Ich kann ihn noch nicht hergeben.«
Nach einem knappen halben Jahr gewöhnte sich Margaret an die Herausforderungen des Mutterseins, und T. J. begann, nachts durchzuschlafen.
Anfangs, kurz nachdem er ins Haus gekommen war, hatte er jeden Tag geweint. Nichts konnte ihn trösten oder ablenken; weder das Spielzeug, das sein Kinderzimmer füllte, noch die Grimassen, die Kati zog, oder die Lieder, die Margaret ihm vorsang, wenn sie ihn langsam durch die Zimmer voller Bücher trug. Seine Tränen hatten erst nachgelassen, wenn er zu müde war, um weiter zu weinen. Jede Nacht hatte sein Wimmern die Dunkelheit erfüllt, und er wollte sich einfach nicht trösten lassen.
In der ersten Nacht war Margaret bei den ersten Lauten des Unglücks in sein Zimmer geeilt, hatte ihn unter seiner blaugelben Decke hervorgezogen und aus dem Bett geholt, und daraufhin hatte er sich instinktiv an ihren Körper geschmiegt
und zusammengerollt. Als sie gespürt hatte, dass er wie ein neugeborenes Kätzchen zitterte, hatte sie gesagt: »Alles wird gut, mein Kleiner. Deine Mommy ist hier.«
Beim Klang des Wortes »Mommy« hatte er den Kopf gehoben und die Hand in einer schnellen, verzweifelten Geste ausgestreckt, als wollte er nach einem Wunder greifen. Er hatte sich mit ausgestreckter Hand im Zimmer umgesehen im verzweifelten Wunsch, das zu sehen und zu berühren, was er verloren hatte.Als er begriff, dass es nicht dort war, lehnte er sich gegen Margaret und weinte. Beinahe sechs Monate lang hatte er jede Nacht geweint.
Und in jeder dieser Nächte hatte Margaret ihn auf den Arm genommen und ihm versprochen, dass sie einen Weg finden würde, damit er nicht mehr weinen müsste.
An jenem Tag im April, als sie ins Haus gekommen war und sich vor ihn gekniet hatte, als sie ihren Mantel geöffnet und ihm gezeigt hatte, was dort eingewickelt war - ein winziger schwarzer Cockerspanielwelpe mit einem himmelblauen Bändchen um den Hals -, hatte Margaret es endlich geschafft, ihr Versprechen zu halten. Der Welpe tappte sofort auf T. J. zu und ließ sich auf seinem Schoß nieder. Der kleine Junge senkte den Kopf, legte ihn an das seidige Fell des Tieres und gab ein leises, undefinierbares Geräusch von sich. Als Margaret später versuchte, es Kati zu beschreiben, wusste sie nicht, wie sie es ausdrücken sollte. Dass es jedenfalls kein Weinen war, war das Einzige, das sie mit Sicherheit sagen konnte.
Mit der Ankunft des Welpen - den Kati auf den Namen Inky taufte - begann T. J. sich zu verändern. Er fing an zu lächeln, sich mit seinen Spielsachen zu beschäftigen und vorsichtig die Hände nach Margaret auszustrecken.
Sein Weinen hatte aufgehört. Zu dieser Zeit hatte Margaret
zum ersten Mal den schwermütigen Klang seines Gesangs vernommen. Es hatte an einem frühen Sonntagabend begonnen, kurz nachdem sie T. J. ins Bett gebracht hatte. Sie war unten in ihrem Arbeitszimmer. Es regnete, und überall im Haus waren die Geräusche des Wassers zu hören, das von der Dachtraufe tropfte und auf die Fensterbänke schlug. Dann ließ der Regen für einen Augenblick nach, und die Geräusche von außerhalb des Hauses verstummten. In diesem Moment hörte Margaret den seltsamen, kummervollen Klang, der aus dem Zimmer über ihr drang - aus T.
Weitere Kostenlose Bücher