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Nur ein Augenblick des Gluecks Roman

Titel: Nur ein Augenblick des Gluecks Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dianne Dixon
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schwangere Frau an den Haaren und stieß sie durchs Zimmer.
    In diesem Moment drehte T. J. sein Gesicht von der Wand
weg, so dass er gerade noch sah, wie Angela an ihm vorbeistürzte, zur Ecke hin, genau auf sein Klavier zu; eine rote Spur kroch ihr über die Beine, wie eine Schlange; sie wand sich bis hinunter zum rauen Fußboden. Eine unebene Bodendiele hielt die Blutspur kurz auf und lenkte sie ab, ehe sie ihren ursprünglichen Weg fortsetzte.
    Angela fiel. Das Klavier brach unter ihr zusammen. T. J. hörte den Klang zertrümmerter Musik. Und der Weihnachtstag war zu Ende.

    Sechs weitere Weihnachtsfeste kamen und gingen - die meisten davon öde und nicht erinnernswert.
    T. J. blieb bei den Loudons, teilte das Zimmer mit Kevin junior und begann langsam, Schritt für Schritt, dessen Gesellschaft zu schätzen. Kevin junior hatte in mancher Hinsicht die Grobheit und Unberechenbarkeit seiner Eltern geerbt, aber im Wesentlichen war er ein freundliches Kind und ein kluges dazu. Er brachte T. J. bei, sich in Zeichensprache zu verständigen, so dass er und T. J. viel Zeit gemeinsam in stiller, lebhafter Konversation verbrachten; über Comics und Darth Vader und darüber, wie Disneyland und die Reise dorthin mit einem Düsenflugzeug sich wirklich anfühlen mochten.
    Nachts, wenn Kevin junior eingeschlafen war, öffnete T. J. das Spiralheft und gab sich dem Anblick der auf die Seiten geklebten Fotos hin. Eines zeigte einen kleinen Jungen in einer Badewanne, umgeben von Kacheln mit Fischmustern. Es gab ein weiteres Foto desselben Jungen, kaum älter als ein Baby, wie er triumphierend auf dem geschlossenen Deckel einer Spielzeugkiste stand und sich an der Kante eines Fensterrahmens festhielt. Dicht bei der Hand des Jungen
war eine Kerbe zu erkennen, die aussah wie das Gesicht eines Clowns.
    Jedes Mal, wenn T. J. die Fotos der beiden kleinen Mädchen anstarrte - jedes Mal wenn er das Mädchen sah, das stets lächelte -, hörte er sich selbst ihren Namen flüstern, Lissa.
    Auch andere Erinnerungen flackerten auf. Mal fiel ihm seine Mutter ein, und wie süß ihr Geruch war. Mal sein Vater und wie schnell er laufen konnte. Damals, als er lief.
    Nacht für Nacht, wenn die Geräusche gedämpften Zornes heiß und mit Spannung aufgeladen durch seine Schlafzimmerwand drangen, wandte T. J. sein Gesicht der Dunkelheit zu und sagte: »Kenn ich mein Zuhaus’? Aber ja, aber ja. 8-2-2, Lima Street, und schon bin ich da.« Er flüsterte die Worte so lange, bis sie ihn vor dem Lärm abschirmten und ihm Sicherheit gaben. Bis sie T. J., der bei den Loudons wohnte, einfach ausgelöscht hatten. Und das Haus gleich mit ausgelöscht hatten. Und die Stadt, in der es stand. Und die Welt, in der es existierte.
    Die Welt der Loudons war ein unberechenbarer, unsicherer Ort; Stimmungen änderten sich ohne Vorwarnung, Glück und Unglück vermengten sich zu einem taumelnden Chaos wie eine außer Kontrolle geratene Achterbahn. Diese Welt war derart gestört, dass eine einfache Sache wie jemandem direkt in die Augen zu schauen, zu einem erschreckenden und schmerzhaften Fehler werden konnte.
    T. J. begriff schließlich, dass er (oder Kevin junior oder Angie) nicht den Fehler machen durften, Kevin in die Augen zu schauen, wenn dieser, betrunken und wütend, gerade dabei war, den Esstisch umzuwerfen, so dass Essen und Glassplitter gegen die Wände klatschten und in Stücke gingen; denn das konnte dazu führen, dass man ausgewählt und gepackt und angeschrien wurde.

    Angela anzusehen, konnte ebenso gefährlich sein. Sich in ihr Gesichtsfeld zu begeben, wenn sie in einer ihrer Stimmungen war - normalerweise nach einer Streiterei mit Kevin - konnte zur Folge haben, dass man Zielscheibe einer Tirade wurde, eines wahnsinnigen Wortschwalls. Dazu heulte sie und schrie: »Ich habe mein Leben geopfert. Ich hätte schon vor Jahren gehen können. Die Männer waren hinter mir her. Und wie! Aber stattdessen habe ich alles aufgegeben. Und wofür? Für euch, ihr undankbaren kleinen Scheißer! Eines Tages werde ich gehen. Ich verdiene etwas Besseres und werde fortgehen. Das bin ich mir selber schuldig.« Anschließend wirbelte sie dann durchs Haus, fuhr mit den Händen über Tischplatten und Stuhlrücken, schrie, dass das Haus ein einziger Saustall wäre, holte einen Putzeimer und eine Scheuerbürste, ließ sich auf die Knie fallen, scheuerte die Fußböden und schrie, dass sie sich zu Tode arbeitete, ohne dass es irgendwen interessierte.
    Weil Angie und Kevin junior durch

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