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Nur ein Augenblick des Gluecks Roman

Titel: Nur ein Augenblick des Gluecks Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dianne Dixon
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Connecticut, August 1990
    E s war nach Mitternacht. Die Bürgersteige auf der Main Street waren leer.Auf dem Rückweg vom Junggesellinnenabschied ihrer Cousine bog sie nach links ab - unweit der Greyhound Bus Station. In diesem Moment sah sie ihn über die Straße laufen, mit einem Seesack über der Schulter.
    Sie erkannte ihn sofort. Über die Jahre hinweg hatte sie immer wieder einmal am Rand der Spielplätze seiner Grundschule und seiner Mittelschule gestanden und ihn beobachtet. Sie hatte ihn rufen und ihm sagen wollen, dass sie ihn lieb hatte. Doch sie hatte das Gefühl, dass alle Beteuerungen ihrer Zuneigung wertlos waren, weil sie ihn im Stich gelassen hatte, als er sie am dringendsten brauchte.
    Jetzt war er achtzehn, hochgewachsen und muskulös; aber etwas an der Art, wie er sich bewegte, gehörte unverkennbar zu T. J. Er war allein auf der Straße und ging nur wenige Zentimeter an ihr vorbei. Sie war noch beschwingt und aufgeregt von der Party, und ohne viel nachzudenken, rief sie ihm zu: »T. J.! Ich bin’s, Kati.«
    Sein Schritt geriet ins Stocken, und er ging langsamer. Für einen Sekundenbruchteil trafen sich ihre Blicke. »Ich bin’s, Kati. Deine alte Babysitterin«, sagte sie. »Wie geht es dir?«
    Kurz flackerte ein zögerndes Wiedererkennen auf, als wäre er drauf und dran, stehen zu bleiben und etwas zu sagen.
Dann aber drehte er sich um, lief los, überquerte die Straße und verschwand um die Ecke. Katis erste intuitive Reaktion war der Wunsch, ihm zu folgen. Doch der Moment verstrich, und die Dinge, die sie hatte sagen wollen, erschienen ihr plötzlich erbärmlich und unzureichend.
    Als sie weiterfuhr, dachte sie an das letzte Mal, als sie zusammen gewesen waren - die schreckliche Nacht, in der sie ihn im Stich gelassen und ihn verloren hatte, weil es ihr nicht gelungen war, ihn zu beschützen.
    Nachdem Margaret das Haus verlassen hatte, um nach Middletown zu fahren und T. J.s Rollschuhe zu holen, hatte Kati nervös auf die immer lauter anschwellenden Geräusche des Windes und des Regens gelauscht. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass der wachsende Lärm des Unwetters T. J. aufwecken könnte. Und sie wusste, dass er, falls er aufwachte und seine Mutter nicht im Haus war, verängstigt reagieren würde.
    Irgendwann begann Kati, in Margarets Büro in der Wesleyan anzurufen und wider alle Vernunft zu hoffen, dass sie plötzlich auftauchen würde, sicher und wohlbehalten - mit der Erklärung, sie habe Ärger mit dem Wagen gehabt, sich unterwegs einen Snack gegönnt oder ein Nickerchen am Schreibtisch gemacht. Schließlich, als ihre Anrufe wiederholt ins Leere gegangen waren, stellte Kati ihreVersuche ein und lief stattdessen voller Angst im Haus auf und ab; verzweifelt auf eine Pause im Unwetter hoffend; auf das Geräusch des Hausschlüssels im Schloss; auf eine Idee, was nun, wo sie und T. J. in dieser tosenden Nacht verlassen in diesem leeren Haus saßen, getan werden musste.
    Kurz vor eins in der Nacht klingelte es an der Tür. Das plötzliche Läuten, das in der Stille des Wohnzimmers nachhallte, klang laut wie ein Donnerschlag. Allerdings war es Katis Schrei, der T. J. letztlich aufweckte, ausgelöst durch den
Anblick des Polizisten, der vor der Haustür stand und seine durchnässte Mütze in der Hand hielt. Sein Gesichtsausdruck verriet bereits, dass Margaret tot war.
    Oben schrie T. J., noch im Halbschlaf: »Mommy!« Und die Nacht fiel in Stücke. Und alles veränderte sich. Und ehe es Morgen wurde, war T. J. fort.
    Sobald der Polizist entdeckt hatte, dass sich ein kleines, jetzt mutterloses und verwaistes Kind im Haus aufhielt, hatte er mehrere Anrufe getätigt. Schnell hatte sich das Haus mit Menschen gefüllt - mit Nachbarn und weiteren Polizisten von der örtlichen Wache. Binnen weniger Stunden war alles arrangiert, um T. J. in einer Pflegefamilie unterzubringen.
    Kati flehte die Polizisten an: »Bitte. Könnten Sie ihn nicht so lange bei mir bleiben lassen, bis, bis …« Noch während sie sprach, wurde ihr klar, dass sie nicht die Möglichkeiten hatte, für T. J. zu sorgen. Ihre Eltern waren vor kurzem nach Florida gezogen, sie teilte sich mit drei anderen Mädchen ein kleines Apartment, und jeder Cent, den sie besaß, steckte in ihrem Portemonnaie: keine 50 Dollar.
    Auf dem Höhepunkt des Durcheinanders war eine Sozialarbeiterin eingetroffen. Sie war jung und hübsch, und T. J. war der letzte Fall, den sie betreuen sollte; eine Woche später würde sie heiraten und fortziehen. Sie

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