Nur ein Blick von dir
durchdringend«, meinte Marina schmunzelnd. »Damit alle Bösen hören, dass die Gute kommt.«
»Sollte man im täglichen Leben auch mal einführen«, bemerkte Silke.
»Ist ja so«, sagte Marina. »Die Polizeisirene. Nur haben die Bösen heutzutage keinen Respekt mehr davor.«
»Wahrscheinlich, weil sie nicht verhauen werden, wenn die Polizei sie erwischt.« Silke grinste. »Sollte man wieder mal drüber nachdenken.«
»Tja, wenn die Zeiten heute noch so wären wie damals . . .« Marina wies auf den Bildschirm. »Ich glaube, ich hole mir doch ein Glas Wein. Du willst wirklich nichts?« Sie schaute Silke fragend an.
»Nein.« Silke schüttelte den Kopf. »Ich vertrage Wein überhaupt nicht gut, wenn ich krank bin.«
Marina nickte, ging in die Küche und kam kurz darauf mit einem Glas Wein zurück. »Danke«, sagte sie, als sie sich setzte, und hob das Glas in Silkes Richtung.
»Bitte. Gern geschehen.« Silke konnte Marina nicht ansehen. Sie konnte den Blick ihrer Augen nur schwer ertragen, ohne sie küssen zu wollen.
Ich bin verrückt. Ich bin einfach nur verrückt, dachte sie. Warum habe ich sie überhaupt reinkommen lassen? Aus dem Augenwinkel beobachtete sie Marina, wie sie an ihrem Wein nippte. Ihre Lippen öffneten sich dabei leicht, dann schlossen sie sich um den Rand des Glases . . .
Silke wurde heiß. Marinas Lippen waren voll und rund. Und Silke wusste, wie sie sich anfühlten, wenn sie über ihre Haut strichen, ihre Wange, ihren Mund. So zart, so weich, so unwiderstehlich. Sie schluckte. Nein, das konnte sie jetzt nicht brauchen. Überhaupt nicht.
Sie versuchte sich wieder auf Xena auf dem Bildschirm zu konzentrieren. Marina hatte eindeutig Ähnlichkeit mit ihr. So groß und dunkel. Was die Muskeln betraf, konnte Silke sich nicht sicher sein, und in Anbetracht ihrer Erfahrungen mit Gaby dachte sie auch lieber nicht daran. Marina ist nicht gefährlich, beruhigte sie sich selbst. Yvonne hat unrecht.
Sie wusste, dass Yvonne sie nur beschützen wollte, aber wie sollte dann Silkes weiteres Leben verlaufen? Sollte sie Nonne werden? Man ging immer ein Risiko ein, wenn man eine neue Frau kennenlernte.
Allerdings sehnte sie sich auch nicht danach, erneut so unangenehme Erfahrungen zu machen wie mit Gaby.
Sie betrachtete Marina von der Seite. Sie schien sich ganz auf den Film zu konzentrieren. Anscheinend nahm sie Silke gar nicht mehr wahr.
Sie ist furchtbar attraktiv, dachte Silke. Sie wirkt so stark, und doch hat sie etwas Weiches tief in ihrem Inneren. Man sieht es an ihren Augen, in die man versinken möchte, an diesem Blick . . . Ein Schauer durchlief ihren Körper, als sie daran dachte, wie es sich anfühlen musste, von Marinas starken Armen gehalten zu werden. Sie sehnte sich mehr danach, als sie zugeben wollte. Der Schauer verstärkte sich, ging über in ein Kribbeln und eine langsam von unten nach oben ziehende Wärme, als ob das Fieber zurückgekehrt wäre. Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Aber es war nicht das Fieber.
Gewaltsam riss sie sich von Marinas Anblick los und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Xena schleppte gerade ein paar Bösewichte an Stricken hinter sich her, und plötzlich sah Silke nicht mehr Xenas Gesicht auf dem Bildschirm, sondern Marinas. Marina in schwarzem Leder und, tja, ziemlich leicht bekleidet, wie Xena eben immer so aussah. Allerdings hatte sie Marina noch nie so gesehen. Es hatte natürlich seine Vorteile, wenn jemand so leicht bekleidet war . . .
Silke biss sich auf die Lippe. So fest, dass sie fast aufgestöhnt hätte. Sie musste diese Gedanken loswerden. Marina berührte sie nicht, wollte nichts von ihr. Sie saß nur da und folgte der Geschichte auf dem Bildschirm, als ob sie im Kino säßen.
Nach einer Weile streckte Marina ihre langen Beine und lehnte sich in der Couch zurück. Sie legte ihre Arme auf die Rückenlehne.
Silke fühlte, dass Marinas Unterarm nur noch Zentimeter von ihrem Nacken entfernt war. Ihre Härchen im Nacken stellten sich auf, und sie dachte, dass sie Marinas Haut gleich berühren mussten. Sie hatte die Wahl. Sie wusste, dass sie sie hatte, denn Marina tat nichts.
Silke ließ sich ein wenig zurücksinken, bis eine warme Barriere sie aufhielt. Marina schien nicht zu reagieren. Silke drehte den Kopf zu ihr. Marina schaute immer noch nach vorn. »Marina . . .«, flüsterte Silke.
Nun endlich wandte Marina sich ihr zu. Im wechselnden Licht des Fernsehschirms konnte Silke ihre Augen kaum erkennen. Sie lagen im
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