Nur ein Blick von dir
überhandnimmt.«
»Vermutlich ist es so.« Silke empfand Marinas Nähe als bedrohlich und süß zugleich. Sie wollte weglaufen und sich gleichzeitig in ihre Arme werfen. »Du siehst also, es ist besser, wenn wir es dabei belassen, was wir hatten.« Sie fühlte erneut, wie die Tränen in ihr aufstiegen. »Das war schön. Wunderschön.« Ihre Stimme brach.
»Ja, das war es.« Marina beugte sich zu ihr. »Hm, du riechst so gut.«
»Ich habe das Parfum erst heute gekauft«, erwiderte Silke.
»Extra für unseren Abend?«, fragte Marina.
»Ja. Ja, wahrscheinlich.« Silke sah Marinas Gesicht ganz nah vor sich. Ihr Gesicht und ihre Augen. »Marina . . .«, hauchte sie schwach. »Bitte . . . bitte nicht . . .«
»Was nicht?«, flüsterte Marina.
»Tu . . . das nicht.« Silkes Stimme versickerte.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, behauptete Marina. »Du musst es mir schon erklären.«
»Marina . . . bitte. Ich halte das nicht aus . . .« Als hätte die Kraft in ihren Beinen sie plötzlich verlassen, sank Silke in Marinas Arme.
Marina fing sie auf und hielt sie fest, streichelte behutsam über ihr Haar. »Du musst nicht weinen, Cinderella«, flüsterte sie. »Es wird alles gut. Das verspreche ich dir.«
»So hast du mich also ins Bett gebracht, damals, als ich in der Apotheke zusammengebrochen bin.« Silke musterte Marinas Gesicht nur ein wenig später. »Ich hatte mich schon gefragt.«
Marina lachte leicht. »Langsam bekomme ich Übung darin, dich die Treppe raufzutragen.« Sie beugte sich über Silke, die auf der Couch lag – dort, wo Marina sie hingelegt hatte. »Soll ich dich jetzt alleinlassen?«
»Nein.« Silke griff nach Marinas Arm wie nach dem sprichwörtlichen Strohhalm. »Nein, bitte geh nicht.«
»Ist das jetzt endgültig?« Marina schmunzelte.
»Nichts ist endgültig.« Silke seufzte. »Das weißt du doch.«
»Ja, ich weiß.« Marina setzte sich zu ihr aufs Sofa. »Du glaubst nicht daran, dass es etwas Endgültiges gibt.«
»Ich –« Silke schluckte. »Ich träume davon. Ich wünsche es mir. Aber ich weiß, dass es nur ein Wunschtraum ist.«
»Die Wirklichkeit kann auch ein Traum sein«, sagte Marina. »Wenn man es zulässt.«
Silke lachte ungläubig auf. »Nein, die Wirklichkeit ist kein Traum. Die Wirklichkeit ist, jeden Tag zur Arbeit zu gehen, sich über seinen Chef zu ärgern und die Kunden, sich mit dem abzufinden, was man hat – dem eigenen, langweiligen Leben.«
»Und der Einsamkeit?«, fragte Marina.
Silke drehte den Kopf zur Seite und schaute Marina nicht an. »Du bist doch auch allein, oder?«
»Ja«, sagte Marina. »Bei meinem Beruf ist es schwierig, eine Beziehung zu führen.«
»Und du willst ja auch keine.« Silke drehte den Kopf zu ihr zurück. »Du bist keine Frau zum Heiraten, hast du gesagt.«
»Bist du deshalb so verunsichert?« Marina musterte Silkes Gesicht.
»Ich –« Silke schluckte. »Ich will dir nicht vorschreiben, wie du zu leben hast. Das geht mich nichts an.«
»Ich will nur keine unerfüllbaren Erwartungen wecken«, sagte Marina. »Das erspart eine Menge Enttäuschungen.«
»Also lässt du dich auch auf nichts ein, aber mir wirfst du es vor?«
»Ich werfe dir gar nichts vor.« Marina strich lächelnd über Silkes weiches Haar. »Ich möchte nur, dass du glücklich bist.«
»Glücklich.« Silke wiederholte das Wort, als wäre es ihr fremd.
»Warst du nicht glücklich – gestern?«, fragte Marina.
»In gewisser Weise . . .« Silke zögerte. »Aber das war nur –«
»Das war nur Sex?« Marina hob fragend die Augenbrauen.
»Ja, ich meine . . . ja.« Silkes Stimme klang auf einmal trotzig. »Das war es. Wir waren nur im Bett.«
Marina betrachtete sie nachdenklich. »Wahrscheinlich hast du recht«, sagte sie nach einer Weile. »Dann gehe ich jetzt wohl besser.«
»Nein!« Bevor Marina aufstehen konnte, warf Silke ihr die Arme um den Hals. »Nein, bitte . . . geh nicht. Bleib bei mir.«
»Für diese Nacht?«, fragte Marina.
»Lass uns doch erst einmal damit anfangen.« Silke flüsterte. »Eine Nacht . . . und dann vielleicht die nächste . . .«
Marina musterte Silkes Gesicht lange, dann beugte sie sich zu ihr hinunter und begann sie zu küssen.
Silke seufzte leise in Marinas Mund auf. Schon als sie auf Marina gewartet hatte, hatte nicht nur ihr Herz, sondern auch ihr Körper sich auf Marina gefreut. Jetzt brach es über sie herein wie eine Flutwelle. Alles, was letzte Nacht gewesen war, und noch viel
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