Nur ein einziges Wort
Dschungelboden, aber der mächtige Stamm des Urwaldbaumes drückt so auf seinen Brustkorb, dass er kaum atmen kann.
Das laute Stöhnen bestätigt Fabian, dass der Mann zwar lebt, aber ob er bei vollem Bewusstsein ist, kann er erst beim Herausfinden seiner Reaktionsfähigkeit feststellen. Total bewusstlos ist er jedenfalls nicht, denn bei jeder geringsten Bewegung lassen sich die unsäglichen Schmerzen in seinem Gesicht ablesen. Als sich nach einer gerade vorübergegangenen Schmerzperiode sein Gesicht zwar nur einen momentlang entspannt, macht sich ein fast unglaubliches Erschrecken in Fabians Gesicht bemerkbar. ‚Er kennt diesen Mann, irgendwann in seiner Vergangenheit hat er diesen Mann gesehen, mit ihm gesprochen, doch vielleicht ist es auch nur Einbildung seinerseits.‘ Jedenfalls verschwindet der Gedanke aus seinem Gehirn so schnell wie er gekommen ist, denn jetzt zählt jede Sekunde und kann über Leben und Tod entscheidend sein.
Glücklicherweise sind beide Arme des Mannes nicht eingeklemmt worden und Fabian versucht nun mit all se inen ihm übriggebliebenen Kräften den Mann aus seiner prekären Lage zu befreien. Doch das Baumstück ist viel zu schwer, um es auch nur einen Zentimeter zu verschieben oder gar anzuheben. Fabian versucht verzweifelt mit der Klappschaufel das Erdreich unter dem Eingeklemmten zu entfernen, um dadurch mit dem entstehenden Hohlraum so viel Bodenfreiheit zu schaffen, dass es ihm gelingen könnte, den Mann unter dem Baumstamm herauszuziehen.
Vergeblich, denn schon nach wenigen Zentimetern stößt er auf harten Felsboden. Doch der alte Mann hält für Fabian eine andere große Überraschung bereit, während er diesen mit wie es Fabian vorkommt, erkennenden Augen anschaut. Mühevoll hebt er beide Hände, soweit es der ihm über seiner Brust liegende Baumstamm e rlaubt und lässt sie danach langsam wieder zur Erde gleiten. Kaum glaublich und für Fabian fast unfassbar, beginnt der Alte mit leisen aber dennoch gut verständlichen Worten zu sprechen:
„Was auch immer ihr Vorhaben ist, geben sie es auf, ich bin nur ein alter Mann und mein Leben wird hier zu Ende gehen!“
Mit angespannten Sinnen lauscht Fabian Bauer seinen Worten, bevor er ihn fragt:
„Wer sind sie, wie heißen sie, wir haben doch alle Fluggäste auf der Passagierliste abgehakt, wie kommen sie hierhin? Irgendwie bekommen sie mir so bekannt vor als wenn wir uns schon mal begegnet wären.“
Mit einem schmerzvollen aber wie es Fabian vorkommt, auch unwahrscheinlich traurigem Gesicht schaut der alte Mann Fabian in die Augen:
„Überlegen sie nicht lange woher oder ob sie mich kennen, im Flugzeug waren zwei Personen mit dem gleichen Namen. Vielleicht haben sie den einen doppelt abgehakt.“
Das Sprechen fällt ihm zusehends mit jedem Wort schwerer:
„Ich habe mein Leben gelebt, lassen sie es gut sein und mich hier sterben, denn ich weiß, dass meine Chancen gleich ‚Null‘ sind. Schauen sie nach links, dort hinter den Felsbrocken haben sich zwei Kinder, wahrscheinlich aus Angst, versteckt. Holen sie sie und rennen sie mit ihnen so schnell sie ihre Füße tragen können, zurück ins Dorf. Sehen sie das Buschfeuer dort hinten, der Wind hat sich gedreht und treibt es langsam aber sicher auf uns zu. Warten sie, bevor sie die Kinder holen, rennen sie so schnell sie können und bringen mir aus dem Coc kpit des Flugzeuges eine ‚Flaregun‘. Soweit ich mich noch zurückerinnern kann, sollte sich neben dem ELT (Emergency Locator) auch eine Leuchtpistole neben dem Pilotensitz unter dem Instrumentenpanel befinden.“
Es dauert tatsächlich nur wenige Minuten bis Fabian mit der Leuchtpistole in einer Hand zurück ist. Der alte Mann mit dem Namen Franz Baumann bittet ihn, ihm die ‚ Flaregun‘ in die rechte Hand zu drücken. Nur mit großer Mühe bringt er jedes weitere Wort aus seinem Mund:
„Holen sie jetzt die Kinder und rennen sie so schnell wie möglich in die Dorfrichtung. Wenn ich die Leuchtpist ole abschieße, werfen sie sich mit den Kindern flach auf die Erde, denn dann wird das Wrack wenige Sekunden später explodieren. Solltet ihr euch dann nicht flach auf dem Boden befinden, werdet ihr alle von der Druckwelle getötet.“
Mühsam hebt er seine rechte Hand, den Zeigefinger am Abschuss der Pistole.
„Leb wohl, viel Glück und bring die Kinder heil zurück.“
Fabian schaut ihm zum letzten Mal in die Augen: „Danke“
„Nun hauen sie endlich ab!“
In die Richtung der vor ihm liegenden Felsbrocken
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